Die Rache der Horden
dass ein Fehler den Menschen seiner Kompanie, des Regiments, der Armee, der Nation das Leben kosten würde.
Nun, Hans, ich habe gerade dich und zehntausend weitere Männer umgebracht – ein fürchterlicher Fehler. Du hast ihn kommen gesehen, aber ich nicht. Du hättest mir sagen können, ich solle mich zum Teufel scheren, hättest den Gehorsam verweigern können, und gottverdamme dich, ich hätte auf dich gehört!
Aber nein, so etwas hättest du nie getan. Nicht mal, als du die Katastrophe kommen sahst.
»Sie werden eines Tages ein richtiger Offizier sein, falls Sie nicht vorher abgeknallt werden.« Hans’ Lieblingszeile.
Nun, Hans, ich bin innerlich »abgeknallt« worden, aber ist aus mir letztlich ein richtiger Offizier geworden?
Das Glückskonto ist erschöpft, und ich habe schließlich einen Fehler gemacht, der dir das Leben kostete.
»Meine Schuld, alles meine Schuld.« Ein gefangener Rebell hatte ihm berichtet, was Lee gesagt hatte, nachdem Pickett gefallen war. Zehntausend Rebellen fielen in einer halben Stunde und markierten den Wendepunkt des Krieges.
War das jetzt unser Wendepunkt, Hans, unser aller Ende, weil ich dich im Regen habe stehen lassen, weil ich diese eine zusätzliche Division nicht geschickt habe?
»Möchten Sie damit sagen, dass der Krieg schon verloren ist?«, fragte Casmar und starrte John an. »Dass ich morgen in meine Kathedrale gehen und meiner Gemeinde sagen soll, sie möge sich vorbereiten, sich selbst die Gräber graben, den eigenen Kindern die Hälse durchschneiden, um ihnen das Grauen der Gruben zu ersparen?«
John breitete die Hände aus und blickte Andrew an.
»Ich ersticke Maddie und hänge mich dann selbst auf!«, hatte Kathleen geschrien.
»Andrew?«
Er wandte sich wieder den Männern am Tisch zu. Kai musterte ihn.
»Lassen Sie es ruhen«, flüsterte der Präsident.
»Was?«
»Lassen Sie es ruhen. Sie können nichts ungeschehen machen.«
»Einen höllischen Kampf hat er geliefert, wirklich«, sagte Pat und blickte erst den leeren Stuhl und dann Andrew an.
Ihre Blicke bohrten sich kurz ineinander, und Andrew hatte das Gefühl, als blickte Pat ihm direkt ins Herz.
Tun Sie etwas! Sie sind doch der mit den klugen Gedanken! Ich bin nur der vorlaute Prahlhans!
Andrew stand auf, verließ die Kabine und blieb auf der Heckplattform stehen.
Entlang des Ufers standen die schweigenden Soldaten und sahen zu, wie die Brücke verbrannte.
Andrew lehnte sich an die Wagenwand und zog das Käppi tief über die Augen.
Die Tür hinter ihm ging knarrend auf, und Kai kam heraus. Andrew hätte seinem alten Freund am liebsten gesagt, er solle ihn in Ruhe lassen, brachte es dann aber doch nicht über sich.
»Immer noch im Schock darüber, nicht wahr?«
Andrew rang sich ein mattes Lächeln ab.
»Ich habe verloren. Ich habe zehntausend gute Männer in den Tod geführt und meinen ältesten Freund verloren. Wahrscheinlich habe ich dabei den ganzen Krieg verloren. Sie haben ja gehört, was John da drin sagte.«
»Sie haben noch etwas anderes verloren«, sagte Kai.
»Nur zu, sagen Sie es mir«, entgegnete Andrew kalt.
»Natürlich die Nerven.«
»Danke, dass Sie mich ins Bild setzen.«
»Ich bin dank Ihnen Präsident dieses Landes geworden!«, stellte Kai scharf fest und baute sich vor ihm auf. »Ohne Sie und Ihre Leute hätte ich die Tugaren wahrscheinlich auch überlebt – sie wären inzwischen schon lange wieder fort. Iwor und Ragnar würden wohl immer noch um die Macht zanken, und ich wäre immer noch ein schmutziger kleiner Bauer, der schlechte Verse schmiedet, um zu überleben.«
»Ich wollte das alles nicht«, wandte Andrew ein.
»Ich aber. Und bei Kesus, Andrew Lawrence Keane, ich brauche Sie!«
»Wirklich?«
»Wie sähe die Alternative aus? Soll ich Sie feuern? Ich könnte es, wissen Sie, denn schließlich bin ich der Präsident.«
Andrew blickte Kai an, der wie ein Miniatur-Lincoln vor ihm stand. Dreißig Zentimeter zu klein, aber nichtsdestoweniger ein Lincoln in schwarzem Gehrock, Kinnbart, Zylinder und sogar mit dem deutlichen Zug bodenständigen Humors und Beziehung zu den gewöhnlichen Menschen.
»Der alte Abe hat mehr als nur einen gefeuert.«
»Er hat Ihren Grant behalten.«
»Grant. Den ›Schlächter‹ nannten wir ihn – er pflasterte die Schlachtfelder mit den Leichen unserer Leute. An ihm lag es, dass ich bei Cold Harbor in zwanzig Minuten mein halbes Regiment verlor.«
»Und doch seid ihr ihm gefolgt, denn ihr wart Soldaten.«
»Wir haben unter
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