Die Rache der Horden
seinem Kommando die Besten verloren«, sagte Andrew leise.
»So ist der Krieg. Zuzeiten machen Generale Fehler, und gute Menschen sterben dadurch.«
»Ich habe zu viele gute Männer verloren. Wir konnten uns keine tausend Toten leisten, geschweige denn zehntausend.«
»Aber durch wen zum Teufel sollte ich Sie ersetzen?«, fragte Kai traurig. »Pat? Ein toller Offizier, solange ihm erst jemand sagt, was zu tun ist. John? Ein Schreibtischbefehlshaber, der beste Organisator, den wir haben, auf diesem Gebet besser als Sie, aber er bringt für ein Feldkommando nicht das richtige Feuer mit. Vielleicht eines Tages Vincent – er muss allerdings noch durch viel Erfahrung geformt werden, und in der Seele dieses Jungen brennt ein schreckliches Feuer, das erst gelöscht werden muss.«
»Er braucht noch viel Erfahrung, aber eines Tages vielleicht«, pflichtete ihm Andrew leise bei. »Ich hatte schon daran gedacht, obwohl er sich einen Ausweg wünscht, wie ich jetzt auch.«
»Wir haben nur Sie, sonst niemanden. Was zum Teufel denken Sie eigentlich, warum Hans Sie überhaupt ausgesucht hat?«
Andrew blickte Kai an und wusste keine Antwort.
»Er erwartet, dass Sie sogar jetzt noch siegen. Das müssen Sie auch, Andrew, denn ich würde Hans verdammt ungern gegenübertreten, falls Sie es nicht tun.«
»Danke für die Schuldgefühle«, sagte Andrew leise.
»Falls es funktioniert, benutze ich auch so was.«
»Sie Mistkerl! Ich war es, der den Fehler begangen hat!«, knurrte Andrew.
Kai lachte in sich hinein und schüttelte den Kopf.
»Das war das Streitlustigste, was ich den ganzen Tag von Ihnen gehört habe. Es wird eines Tages einen tollen Eintrag in den Geschichtsbüchern hergeben, dass mich mein General einen Mistkerl genannt hat. Vielleicht wird dazu ein heroisches Gemälde hergestellt, eine Holzschnitzerei an der Wand eines Zugwaggons mit dem Titel: ›Colonel Keane nennt den Präsidenten einen Mistkerl.‹«
Ein Lächeln lief über Andrews Gesicht.
»Hans hat Sie ausgewählt. Ich brauche Sie, weil Sie, bei Kesus, denken und Menschen führen können. Sehen Sie doch nur die Männer da drin an. Pat redet von den Merkitoten, die sich um seinen Leichnam herum auftürmen; John spricht weinend vom Untergang; und Casmar wispert, das Ende der Welt sei gekommen. Allein Sie können das ändern.«
»Ich bin noch nie zuvor geschlagen worden«, flüsterte Andrew und blickte an Kai vorbei in die Ferne. »Egal wie, ich habe stets gesiegt. Ich habe die Jungs immer wieder herausgeholt, selbst nach Cold Harbor.«
Er schüttelte traurig den Kopf.
»Irgendwann konnte ich mir einen anderen Ausgang gar nicht mehr vorstellen, und doch nagte die kalte Angst an mir und wisperte mir zu, ich würde meine Kräfte diesmal überfordern und ich würde mehr verlangen, als wir realistischerweise leisten können. Und es hat mich eingeholt. Ich habe im entscheidenden Augenblick gezögert. Ich verlor die Fassung und reagierte nicht, als ich es hätte tun sollen.«
»Das ist jetzt Geschichte, Andrew. Ich mache mir keine Sorgen um Historisches, sondern um die nächste Woche.«
Kai deutete zur Furt.
»In einer Woche oder zehn Tagen werden vierhunderttausend Merki den Fluss dort überqueren, und weiter oben werden sie wie ein Heuschreckenschwarm über alles herfallen, was ihnen in die Quere kommt: das Gras, die Ernte, uns selbst, unsere Kinder.
Sie allein können sie aufhalten. Sie sind nicht der erste General, der eine Schlacht verliert, einen Feldzug, sogar einen Krieg. Aber bei Gott, ich wage zu behaupten, dass Sie der Erste sein werden, der einen Krieg gewinnt, obschon er sich innerlich für besiegt hält«, flüsterte Kai. Er wurde still, stieg aus dem Zug und ging auf den Fluss zu, nickte den Soldaten zu, die ihn sahen, und bedeutete ihnen mit der Hand, sie sollten bequem stehen oder zu ihm kommen und mit ihm plaudern.
Dieser verdammte Bauer ist zuzeiten schlauer als jeder von uns, Hans, flüsterte Andrew vor sich hin.
In Ordnung, wir werden die Merki ganz gewiss nicht am Neiper aufhalten, dachte er und bemühte sich um klare Überlegungen. Das wussten wir von Anfang an. Unsere einzige Hoffnung war es, sie so lange aufzuhalten, dass sie hungern müssen, gezwungen, sich von den eigenen Pferden zu ernähren, während ihre Familien abmagern und sie schließlich aufgeben und sich abwenden.
Hungern.
Ein Amateur studiert Taktik, ein Profi Logistik.
Letztlich verlieren wir die Neiperlinie. Wir sterben alle in Suzdal. Zumindest Vincent wird in
Weitere Kostenlose Bücher