Die Rache der Jagerin
die Frau, nur sprach sie diesmal lauter. »Wir kennen Ihre Geschichte tatsächlich und auch die der Beziehungen zwischen den Triaden und unserem Volk. Wir haben schon früh gelernt, dass man das Bedürfnis der Menschen, ihre Umwelt zu kontrollieren, nicht unterschätzen darf. Und ihr zwanghaftes Verlangen, Macht, die sie einmal erlangt haben, auch zu erhalten. Das ist der Grund, weshalb wir lieber keine Aufmerksamkeit auf uns ziehen und unsere Angelegenheiten unter uns regeln.«
»Und wie sind Sie damit bisher gefahren?« Ich spürte Jenners tadelnden Blick, aber meinen Sarkasmus im Zaum zu halten war nicht mein dringlichstes Anliegen.
»Sie haben uns keinen Beweis dafür genannt, dass die anderen Clans in Gefahr schweben.« Das war der Mann, der auch zu Anfang gesprochen hatte, und jedes seiner Worte klang gereizt.
Wütend ballte ich die Hände zu Fäusten. »Ich habe Ihnen keine Beweise versprochen, ich kann Ihnen nur eine Theorie und meine Erfahrungen bieten.« Erneut musste ich an das Gespräch mit Isleen denken. »Hier geht es um etwas Größeres. Warum sieht das denn niemand? Mag ja sein, dass die Gründung der Triaden vor zehn Jahren trotz bester Absichten keine so gute Idee war, aber was hätten die Menschen denn tun sollen? Welche Hilfe haben die Therianer angeboten, als Kobolde und Halbvamps angefangen haben, die Straßen unsicher zu machen?«
Wieder ging ein Murmeln durch die Reihen. Hatte ich da einen wunden Punkt getroffen? Oder war ich einfach nur zu weit gegangen?
»Wir können die Entscheidungen der Vergangenheit nicht rückgängig machen«, erklang eine andere, tiefere Männerstimme, die sich anhörte, als würde sie direkt aus einer Tuba dringen. »Es gilt, die Zukunft unseres Volkes im Blick zu haben und Entscheidungen für unser weiteres Fortbestehen zu treffen.«
Ich nickte. »Dann unterscheiden wir uns gar nicht so sehr voneinander.«
»Doch, das tun wir«, kam wieder der Tieftöner. »Denn wenn ihr vor der Wahl steht zwischen dem unschuldigsten Therianer und dem verdorbensten Menschen, werdet ihr stets den Menschen wählen.«
»Diesen moralischen Vorwurf können Sie mir nicht machen.« Ich musste all meine Selbstbeherrschung aufbringen, um nicht über sie herzufallen. »Sie kennen mich doch gar nicht.«
»Wir kennen die Jäger der Triaden. Seit einem ganzen Jahrzehnt erleben wir, was für Urteile sie fällen. Sie behaupten, Sie wären anders, weil Sie von Ihren eigenen Leuten verfolgt worden sind. Doch das sind nur Worte, Evangeline. Nichts als Worte.«
»Na schön. Und was soll dann dieses ganze Theater, wenn Sie sich ohnehin einig sind, dass Sie mir so wenig vertrauen wollen wie allen anderen Menschen?«
»Die Zusammenkunft hat noch keine Einigung erzielt«, wandte die Frau mit der Singsangstimme ein. »Sie wissen so gut wie wir, dass man mehr erfährt, wenn man persönlich mit jemandem spricht, als wenn man die Dinge nur von Dritten zu hören bekommt. Unter unserem Volk haben Sie einige Anhänger, und wir wollten die Frau kennenlernen, in die manche so großes Vertrauen setzen.«
Ich breitete die Arme aus. »Und, was meinen Sie? Vertrauen in den Sand gesetzt?«
»Im Gegenteil«, meinte der Tieftöner. »Sie haben gezeigt, dass Sie nicht blind gegenüber den Fehlern Ihrer Spezies sind, auch wenn Sie immer noch einen der Schlimmsten Ihres Volkes beschützen.« Nur durch anhaltendes Ballen der Fäuste konnte ich mich ruhig halten. Zu gern hätte ich ihm einen Vortrag gehalten, wie viel Gutes Rufus St. James vollbracht hatte, aber ich biss mir auf die Zunge. Der Schlimmste, also wirklich! »Es ist an der Zeit, dass die Zusammenkunft über Ihre Bitte diskutiert.«
»Haben Sie noch etwas hinzuzufügen?«, fragte Jenner. Er befand sich rechts von mir, irgendwo in den Schatten verborgen. Sein Tonfall suggerierte, dass ich nein sagen und mich entschuldigen sollte.
Die Worte lagen mir bereits auf den Lippen, doch heraus kam etwas anderes. »Was wissen Sie über einen Kitsune namens Snow, der dabei hilft, eine Miliz zu rekrutieren, mit der die Triaden ausgelöscht werden sollen?«, fragte ich.
Diesmal gab es kein Tuscheln. Stattdessen brach eine lautstarke Debatte aus, die so vehement und chaotisch geführt wurde, dass ich nichts verstand außer einigen zufälligen Worten: »sie«, »Snow«, »die«, »Triaden«. Offenbar hatte ich einen Nerv getroffen, der Streit in ihren eigenen Reihen auslöste. Nach einer knappen Minute rief jemand etwas, was sich wie »Pizza« anhörte. Aber es
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