Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rache der Jagerin

Die Rache der Jagerin

Titel: Die Rache der Jagerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Medling
Vom Netzwerk:
dir irgendetwas Neues über dieses Treffen berichtet …«
    »Werde ich mich bei dir melden.«
    Ich kritzelte meine Telefonnummer auf den Notizblock, der im Motelzimmer bereitlag. Im Geist stellte ich eine Liste all der Schläge zusammen, die ich Leo verpassen würde, wenn ich erst in der Wohnung angelangt wäre.

12. Kapitel
    19:30 Uhr
    I ch stürmte in die Wohnung und wurde von einem Schwall Flüchen und Kraftausdrücken begrüßt, die mich selbst in meinen besten Tagen hätten vor Neid erblassen lassen. Beinahe hätte ich Aurora mit der Tür gerammt, denn sie hatte sich in den Eingangsbereich verzogen. Auf einem Berg Kissen und Decken lag sie zusammengerollt auf dem Boden und hatte die Arme schützend um den dicken Bauch geschlungen. Eben wollte ich fragen, was sie da machte, als ich begriff, dass sie sich möglichst weit von Leos Tiraden entfernt halten wollte.
    Joseph saß noch immer auf der Couch – an derselben Stelle, an der ich ihn zurückgelassen hatte. Der Fernseher war leise eingestellt. Es lief irgendeine Sendung mit eingespielten Lachern, aber niemand sah hin.
    »Wie lange treibt er das nun schon?«, fragte ich und schloss die Tür hinter mir.
    »Seit zwanzig Minuten oder so«, erwiderte Joseph. »Ungefähr seit Aurora dich angerufen hat. Der Mann ist geistesgestört.«
    »Der Mann hat seinen Sohn verloren, Joseph.«
    »Ja, aber er weiß noch nicht, dass sein Sohn nicht zurückkehren wird. Seine falsche Hoffnung zu nähren wird seinen Zorn nur mehr anfachen.«
    Als ob ich das nicht wüsste. »Ich darf ihm die Wahrheit nicht sagen, das widerspricht dem Protokoll.«
    Er neigte den Kopf zur Seite. »Ich dachte, du würdest nicht mehr für die Triaden arbeiten.«
    »Das tue ich nicht, aber ich habe auch keine bessere Geschichte auf Lager, um zu erklären, wie er gestorben ist.« In diesem Moment ließ das Brüllen und Scheppern etwas nach, weshalb ich die Stimme senkte. »Er darf die Wahrheit nicht erfahren.«
    »Dir wird kaum etwas anderes übrigbleiben, wenn du nicht willst, dass er durchdreht.«
    Ich knurrte. So viel wie eben hatte Joseph nicht gesprochen, seit er heute Morgen hier aufgetaucht war, aber etwas anderes als Kritik und schlechte Vorschläge hatte er nicht zu bieten. Stumm hatte er mir besser gefallen. Ich ignorierte die Nervensäge und kauerte mich neben Aurora, wobei mir der Bauch weh tat. »Mit dir ist alles okay?«
    Sie nickte und sah mir mit ihren großen Augen ins Gesicht. »Warum ist Phineas nicht bei dir?«
    »Wir mussten uns für eine Weile trennen. Er verfolgt eine Spur, während ich anderen Hinweisen nachgehe.«
    »Na gut.«
    Ihr absolutes Vertrauen in mich war verblüffend. »Ich werde mich um Leo kümmern. Du bleibst einfach ganz entspannt.«
    Ich lauschte kurz an der Schlafzimmertür, bevor ich hineinging, doch die Geräusche kamen aus einer anderen Ecke des Zimmers. Ich hielt mich nicht mit Klopfen auf, sondern drehte den Türknauf und drückte dagegen. Was sich mir präsentierte, wirkte wie das Ergebnis eines wahren Hurrikans. Aus den Schränken und Schubladen waren alle Kleider herausgezerrt und verstreut worden, die Bezüge waren vom Bett heruntergerissen, alle Bücher lagen auf dem Boden, und der Schreibtisch war vollkommen durchwühlt. Eine Handvoll Aufbewahrungsboxen aus Plastik, die unters Bett passten, waren ausgeleert worden: Fotos, Nippes, alter Papierkram, all der Krimskrams eines ganzen Lebens, der für gewöhnlich vor fremden Augen verborgen gehalten wurde. Ein halbes Dutzend Schuhkartons hatte dasselbe Schicksal ereilt.
    Inmitten des Chaos befand sich Leo. Er saß zusammengesunken und mit hängenden Schultern auf dem Schreibtischstuhl, hatte den Blick trübe auf das Fenster gerichtet. Halb erwartete ich, dass er die Fensterscheibe zertrümmert hatte. Als ich die Zerstörung sah, stieg Wut in mir auf. Ich spürte Hitze im Gesicht. In meinem alten Körper war das nie vorgekommen.
    »Was zum Henker treibst du da?«, fuhr ich ihn an.
    Meine Frage traf ihn unerwartet. Vielleicht war er so sehr mit seinem eigenen Nervenzusammenbruch beschäftigt gewesen, dass er mein Eintreten gar nicht bemerkt hatte. Aufgeschreckt drehte er sich im Stuhl zu mir herum. Der Anblick seines Gesichts traf nun allerdings mich unerwartet. Er hatte leuchtend rote, wässrige Augen, und sein Mund stand offen, ein Ausdruck fratzenhafter Verwirrung. Er keuchte.
    »Es gibt keinen Abschiedsbrief«, sagte Leo. Das Entsetzen in seiner Stimme verblüffte mich. Für ihn war es logisch, dass er als

Weitere Kostenlose Bücher