Die Rache der Jagerin
du meine Nachricht bekommen?«, fragte ich.
»Was zum Teufel willst du damit beweisen, Stone?«, fuhr Kismet mich an.
»Wenn ich es dir sagen würde, würdest du mir nicht glauben.«
»Lass es auf einen Versuch ankommen.«
»Nicht, bevor ich Beweise habe.«
»Und du glaubst, dass du Beweise finden wirst?«
»Lass mir bis heute Mittag Zeit.«
»Das kann ich nicht.«
Ich trat mit dem Fuß auf. »Verdammt, Kismet, hab doch ein bisschen Vertrauen.«
»Das hatte ich, Stone, aber mein Vertrauen hat Grenzen. Vor allem, wenn du dich wie eine Abtrünnige benimmst – obwohl du doch ständig beweisen willst, dass du keine bist. Du musst zurückkommen.«
»Nie und nimmer.« Ich wollte ihr von Phin erzählen und von Leonard Call und unserem Treffen mit Schwarzhuts Mannschaft. Aber jetzt noch nicht. Ich hätte ihr zu viel erklären müssen für ein Telefongespräch. »Ich ruf dich heute Mittag zurück.«
»Stone …«
Ich legte auf und schaltete das Handy aus, um nicht wieder unterbrochen zu werden. Da Kismet nicht mit sich reden lassen wollte, hatte ich von den Triaden keine Hilfe mehr zu erwarten. Mit Rufus Kontakt aufzunehmen würde sich nun also mehr als knifflig gestalten – nahezu unmöglich traf es schon besser. Meine einzige Möglichkeit war, mit Plan A fortzufahren und zu den Gremlins zu gehen. Und zu hoffen, dass sie die versprochenen Informationen hatten.
Da ich noch einige Straßen von der Fabrik entfernt war und der Sonnenaufgang immer näher rückte, verfiel ich in Laufschritt. Die Stichwunde im Bauch war fast völlig verheilt und schmerzte ganz leicht. Nur der Rücken juckte und spannte, und hin und wieder hatte ich noch stärkere Schmerzen. Kurz erwog ich, mich ein paarmal zu teleportieren, um schneller voranzukommen, entschloss mich aber, einfach weiterzulaufen. Ich hatte meine Teleportationskräfte bisher nicht gut genug ausprobieren können. Deshalb wusste ich nicht, wie weit ich mich damit bewegen konnte und welche Konsequenzen das nach sich zog.
Als ich die Fabrik endlich erreichte, warf die Sonne rosafarbene und goldene Strahlen auf die Skyline der Stadt. Der von Unkraut überwucherte Parkplatz war leer, und in den umliegenden Gebäuden war es ruhig. Halb verdeckt von einigen wilden Büschen kauerte ich mich vor den Zaun, der das Gelände umgab. Zwischen mir und dem Eingang der Fabrik lagen dreißig Meter freie Fläche.
Wyatt und Phin waren die Einzigen, die wussten, dass ich herkommen würde. Keiner von beiden hatte einen Grund, den anderen Handlern mein Vorhaben zu verraten. Dennoch: Vorsicht ist besser als Nachsicht.
Ich schloss die Augen und stellte mir den kleinen Raum vor, der hinter dem Eingang und gleich neben dem Treppenhaus lag. Zweimal war ich bereits dort gewesen. Die Kluft sprudelte und spritzte, und Einsamkeit war leicht gefunden. Schon bewegte ich mich. Das Gefühl, zerschmettert zu werden, während ich mich in Nichts auflöste, war mir inzwischen vertraut. Ein heftiger Druck zwischen den Augen sagte mir, dass ich die solide Hauswand durchquerte. Dann spürte ich Boden unter den Füßen, und um mich herum war es feucht und kühl.
Kurz schwankte meine Umgebung. Schneller als mir lieb war, überkamen mich Hunger und Müdigkeit. Wenn diese Sache ausgestanden war, würde ich Urlaub nehmen. Ich musste für eine Weile raus aus dieser verdammten Stadt. Noch nie in meinem ganzen Leben war ich weiter als zwanzig Meilen aus der Stadt hinausgefahren. Ich hatte nie das Meer gesehen, und ich sehnte mich so sehr danach. Damit war es abgemacht: Wenn das vorbei war, würde ich einen Ausflug ans Meer machen.
Fast glaubte ich, dass es wahr werden könnte.
Nach einer kurzen Verschnaufpause schulterte ich die Tasche und begann den langen Aufstieg.
Auf dem Treppenabsatz des vierten Stocks blieb ich stehen und lauschte. Nicht, weil ich etwas Sonderbares gehört hätte, sondern weil ich nichts gehört hatte. Während meiner beiden anderen Besuche hatte ich schon kurz nach dem Betreten der Fabrik das Schlurfen und Brummen der Gremlins vernommen. Hier lebten Tausende dieser kleinen Geschöpfe, also war Stille so gut wie ausgeschlossen. Doch nun fühlte sich die Fabrik hohl und leer an.
Ich zog meine geborgte Pistole und überprüfte das Magazin. Normale Kugeln, offenbar hatte Felix damit gerechnet, dass ich ihm Probleme machen würde. Mit der Pistole in der Hand legte ich das Ohr an die Tür. Dann drückte ich die Klinke. Sie ließ sich ohne weiteres bewegen, und die Tür ging mit dem lauten
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