Die Rache der Kinder
einem Meeting, sodass nicht die Gefahr bestand, ihm über den Weg zu laufen. Kate war inzwischen wieder ausreichend bei Verstand, ihm rasch eine E-Mail zu schreiben, in der sie ihm mitteilte, sie würde zur Scheune fahren und ihre Weihnachtskolumne noch einmal überarbeiten – und bei Gott, nach ihrem schrecklichen Anfall konnte sie wirklich ein paar Gummibärchenpunkte brauchen.
Nachdem auch das erledigt war, verproviantierte sie sich beiWaitrose in der Church Street. Sie kaufte Fertiggerichte, Brot, Käse und Wein fürs Wochenende sowie ein paar Tafeln belgische Schokolade, Pfefferminzkuchen und Eis. Als sie den Laden verließ, war es bereits zehn nach vier, was bedauerlich war, denn nun, im Winter, würde sie die Schönheit der Landschaft nicht mehr genießen können; normalerweise war das der halbe Spaß auf der Fahrt dorthin. Kate zog es vor, bei Tageslicht in Caisléan einzutreffen, um es sich vor dem offenen Kamin gemütlich zu machen, noch ehe die Sonne unterging.
Die Nachricht für Fireman zu hinterlassen hieß – so sinnierte sie, als sie die hellen Lichter von Reading hinter sich ließ –, dass sie nun verpflichtet war, zumindest teilweise am Wochenende zu arbeiten; aber sie hatte auch den neuen Roman von Anne Tyler eingepackt sowie ein paar DVD-Klassiker für den Fall, dass im Fernsehen nichts Vernünftiges lief. Leider hatte Radio Berkshire ziemlich kühle Temperaturen vorausgesagt; dabei mochte Kate nichts so sehr, wie im Wind über die Downs zu gehen, bevor sie es sich vor dem Kamin gemütlich machte.
Schöner war nur noch, diesen Spaziergang zusammen mit Rob zu machen.
»Ich bin ein Trottel«, sagte sie zu sich selbst und bereute erneut ihren idiotischen Temperamentsausbruch.
Sie vermisste Rob schrecklich.
Ihre Augen schmerzten von der Fahrt im Dunkeln, obwohl für einen Freitagnachmittag ungewöhnlich wenig Verkehr herrschte. Kate, die noch immer auf der A 329 in Richtung Streatley fuhr, erlaubte sich ein Nickerchen, um ihrenachlassende Konzentration aufzufrischen, und gab sich dem Traum hin, dass Rob in Caisléan erschiene, um sie für sich zurückzugewinnen.
»Werd erwachsen«, tadelte sie sich selbst.
Und selbst wenn Rob sie hätte sehen wollen, wäre es an diesem Wochenende unmöglich gewesen; er hatte ihr erzählt, dass Penny ihn gebeten habe, Emily zu sich zu nehmen. Das war lange nicht mehr vorgekommen, und da Emmie berechtigterweise das Wichtigste in Robs Leben war, würde Kate nicht einmal im Traum daran denken, sie …
Der Knall des platzenden Reifens war laut wie ein Schuss.
»Himmel!«
Der Mini brach aus, schleuderte auf die Gegenfahrbahn und jagte dem Fahrer des entgegenkommenden kleinen Mercedes den Schreck seines Lebens ein. Das Lenkrad bebte in Kates Händen, und nur mit Mühe wich sie einem Van aus, der aus einer schmalen Straße zur Linken kam. Hinter sich sah sie aufblendende Lichter und hörte wildes Hupen. Schließlich kam der Mini auf der mit Gras bewachsenen Fahrbahnbegrenzung zum Stehen.
»Himmel!«, sagte Kate erneut, und das Blut rauschte in ihren Ohren.
Dann gab es einen weiteren Knall, gefolgt von einer wahren Explosion verschiedener Geräusche, die sie erbeben ließ, als zwei – nein, drei Wagen hinter ihr ineinanderrutschten.
Sekunden vergingen, während Kate zitternd hinter dem Lenkrad saß.
Stumm betete sie, dass niemand verletzt worden war.
Bitte.
14. Das Spiel
»Das Spiel beginnt.«
Die Nachricht hatte sich binnen Minuten verbreitet.
Jacks Frau war es gewöhnt, mitsamt der Kinder unvermittelt abgeschoben zu werden.
Piggy war bereit, sich krankzumelden.
Weder Simon noch Roger waren jemandem Rechenschaft schuldig.
»Passt auf«, hatte Ralph sie alle ermahnt.
Sie hatte sich noch nie so verloren gefühlt wie jetzt, da sie zurückgelassen wurde.
15. Laurie
An den Tagen, ehe sie Sam besuchte, empfand Laurie stets eine Mischung aus Freude und Angst, denn sie sehnte sich furchtbar nach ihm, sorgte sich jedoch zugleich, dass irgendetwas sie von dem Besuch abhalten könnte. Und Gott wusste, dass ihre Eltern mehr als nur einmal versucht hatten, genau das zu erreichen. Doch nicht einmal Shellys Grippe letzten Sommer oder Petes gebrochenes Handgelenk im Winter davor hatten verhindern können, dass Laurie jedenSamstagmorgen um Punkt acht Uhr vor dem Rudolf Mann House stand.
Nicht dass Lauries Ängste damit geendet hätten.
Würde Sam sich freuen, sie zu sehen? Würde er gesund aussehen? Würde er ihre gemeinsame Zeit genießen? Wie würde es ihm
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