Die Rache der Kinder
– Polizei, Landarbeiter, Sanitäter und andere –, freundlich zu ihr, doch kaum hatten sie gesehen, dass Kate ohne Hilfe laufen konnte, schien bei allen die Hilfsbereitschaft in Zorn umzuschlagen.
»Typisch Frau am Steuer!«
»Die sollte man gar nicht erst auf die Straße lassen!«
»Hat die nicht mal ihren Wagen im Griff?«
Kate ignorierte die Leute. Ihr reichte auch so schon das Chaos, das ihr geplatzter Reifen verursacht hatte. Eine Lichterkette zog sich über Meilen die gewundene Straße hinunter, während die Polizei die Schaulustigen verscheuchte und den Verkehr um die Fahrzeuge herumlenkte, die noch immer die zweispurige Autobahn versperrten. Kate war heilfroh, dass niemand ernsthaft zu Schaden gekommen war, auch wenn sie im Licht der Scheinwerfer eines Rettungswagens einen Mann mit blutender Platzwunde am Kopf gesehen hatte.
»Kann ich in das Krankenhaus, in das dieser Mann gebracht wird, damit ich weiß, dass es ihm gut geht?«, fragte sie einen Sanitäter am Straßenrand. »Schließlich wäre das alles nicht passiert, wäre mir der Reifen nicht geplatzt …«
»Sie gehen nirgendwohin.« Ein Polizist trat hinter sie. »Erst wenn wir hier fertig sind.«
Es folgte eine ganze Reihe von Fragen, eine Überprüfungihres Führerscheins sowie ihrer Versicherung und ein Alkoholtest, der ergab, dass Kate nüchtern war – und sie dankte Gott dafür, dass sie vorhin beim Packen noch nicht einmal an einem Wein genippt hatte. Und sie musste ihrem Schöpfer noch einmal danken, als der Ersatzreifen für gut befunden wurde, denn sie hatte ihn kein einziges Mal überprüfen lassen, seit sie den Mini gekauft hatte.
Erst nach gut einer Stunde war sie bereit weiterzufahren – nur dass der Verletzte ins Royal Berkshire gebracht worden war, was hieß, dass sie den ganzen Weg nach Reading wieder zurückfahren musste. Doch Kate hatte seinen Namen nicht in Erfahrung bringen können, also musste sie dorthin, um sich zu überzeugen, dass es ihm so weit gut ging. Andernfalls hätte sie sich in Caisléan nicht entspannen können.
Wie sich herausstellte, hatte der Mann weder Knochenbrüche noch eine Gehirnerschütterung; er musste nur mit ein paar Stichen genäht werden – was ihn aber nicht davon abhielt, Kate eine Strafpredigt zu halten.
»Man sollte Sie noch einmal zur Führerscheinprüfung schicken«, sagte er. »Offensichtlich fühlen Sie sich schuldig, sonst wären Sie nicht hier.« Und nach einem tiefen Seufzer fügte er hinzu: »Es gibt Kurse für Leute wie Sie.«
Der Mann stand offenbar unter Schock; also saß Kate einfach nur höflich da und wartete, bis er fertig war.
»Ich konnte wirklich nichts dagegen tun«, sagte sie schließlich in sanftem Tonfall und fragte sich, warum sie bei den Menschen, die sie liebte, nicht auch so ruhig reagieren konnte.
Erneut überkam sie die Sehnsucht, mit Rob zu sprechen, doch er sollte nicht glauben, sie wolle ihm Zeit mit Emmie stehlen. Sie zog sich eine Dose Cola und eine Tüte Chips und kehrte schließlich auf den Krankenhausparkplatz zurück, wo sie erst einmal ihren Anrufbeantworter zuhause abrief für den unwahrscheinlichen Fall, dass Rob das gleiche Bedürfnis verspürt hatte wie sie selbst.
Es war jedoch nur eine Nachricht aufgesprochen worden, und zwar von Bel.
Kate seufzte, stieg in den Mini und rief zurück.
»Hallo?«, antwortete eine Stimme.
Das war nicht Bel.
Das war Sandi West.
Dieser Tage hielt Sandi sich meist in der Nähe Bels auf, was Kate inzwischen sogar akzeptierte, denn für Bel war das vermutlich gar nicht mal schlecht.
»Hallo, Sandi«, sagte sie nun und kämpfte dagegen an, dass sich ihr die Nackenhaare sträubten. »Ich bin’s, Kate.«
»Wie nett.«
Sandis Sarkasmus ließ Kate mit den Zähnen knirschen. »Ist Mom da?«
»Du hast deine Mutter gestern ganz schön aufgeregt«, sagte Sandi. »Einfach aufzulegen, anstatt sich ihren gut gemeinten Rat anzuhören.«
»Ich würde gern mit ihr sprechen, bitte.«
»Das geht nicht«, erwiderte Sandi. »Sie ist zur Apotheke.«
»Ist sie krank?« Kate wartete nur darauf, dass Sandi ihr auch dafür die Schuld geben würde.
»Sie holt ein Rezept für mich ab«, antwortete Sandi. »Ichmuss übers Wochenende weg, aber meine Schmerzen sind schlimmer als gewöhnlich, und sie hat sich freundlicherweise angeboten, das Medikament für mich abzuholen.«
Es gelang Kate mit einiger Mühe, das Gespräch zu beenden, ohne grob zu werden.
Sie erschrak, als das Telefon klingelte. Sie schaute aufs Display: Es war
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