Die Rache der Kinder
eingekniffen.«
»Warum hast du ihn dann nicht beim Direktor gemeldet?«, fragte Ralph.
»Das hätte ich«, antwortete Simon, »wenn das alles gewesen wäre.«
Tatsächlich war dieser Vorgang sogar noch harmlos gewesen, denn nur wenige Tage später hatte Simon einen Blick in Mitchams Spind erhascht, kurz bevor er die Tür zugeschlagen hatte.
Und da hatte sie etwas gesehen.
Pornografische Fotos von Kindern.
»Ich habe sie zwar nur ganz kurz gesehen«, sagte sie, »aber ich weiß, was es war.«
Sie war schockiert. Allein die Vorstellung drehte ihr den Magen um.
Mitcham war ein echtes Monster.
Zwei Tage später hatte Jack Simons Verdacht bestätigt. Er war in Mitchams Wohnung eingebrochen und hatte derart widerliche Fotos gefunden, dass er schon überlegt hatte, sich auf die Lauer zu legen und dem Kerl eine Tracht Prügel zu verpassen, die er nie vergessen würde.
In der darauffolgenden Woche traf die Gruppe sich in einem Pub-Zimmer in Didcot.
»Ich glaube«, sagte Jack, »es ist an der Zeit, das Spiel ein wenig zu verschärfen.« Es fiel ihm schwer, den Anblick der pornografischen Kinderfotos aus Mitchams Sammlung zu verdrängen. »Wir müssen dieses Stück Dreck dazu bringen, wirklich ein Verbrechen zu begehen«, sagte er. »Einen Raubüberfall oder eine andere schwere Straftat.«
»Das klingt ziemlich kompliziert«, sagte Ralph über den Telefonlautsprecher.
»Ist es aber nicht«, erklärte Jack. »Wir würden nämlich dafür sorgen, dass er das Ding gar nicht durchzieht.« Er hielt kurz inne. »Aber die Sache muss schwerwiegend genug sein, dass er tief in der Scheiße sitzt.«
»Vielleicht sollten wir ihn einfach nur verpfeifen.« In Simon regten sich Zweifel. »Ich meine … Wir sind doch keine Vigilanten, oder?«
»Nein, das sind wir verdammt noch mal nicht«, sagte Jack.
»Dafür sind wir viel zu klug«, bemerkte Roger.
»Und ihn zu verpfeifen wäre ja auch kein Spiel , oder?«, erklärte Jack.
»Aber wie sollen wir jemanden dazu bringen, einen Raubüberfall zu begehen?«, fragte Piggy.
»Erpressung«, antwortete Roger rundheraus. »Wir müssen ihm klarmachen, dass er tun muss, was wir ihm sagen, wenn er nicht zehn Jahre wegen Kinderpornografie in den Bau will.«
»Vielleicht wäre das ja die gerechte Strafe für ihn«, sagte Simon.
»Ja, vielleicht«, pflichtete Ralph ihr über den Lautsprecher bei.
»Und wenn er sich einen guten Anwalt besorgt, der ihn aus dem Dreck zieht?«, gab Roger zu bedenken.
»Dann wäre er zumindest als Lehrer erledigt«, antwortete Simon.
»Da kannst du nicht sicher sein«, argumentierte Roger. »Außerdem wäre das nicht annähernd genug Strafe für ihn.«
»Er ist dein Monster«, erinnerte Jack Simon. »Der größte Scheißkerl, den wir bis jetzt hatten.«
»Jack hat recht«, stimmte Piggy ihm zu.
»Der größte Scheißkerl«, sagte Roger, »das größte Spiel.«
»Es müsste ein bewaffneter Raubüberfall sein«, warf Jack ein. »Eine Knarre kann ich besorgen.«
»Keine Waffen«, sagte Ralph prompt.
»Weniger würde nicht reichen«, unterstützte Roger Jack. »Nicht, wenn wir wirklich wollen, dass Mitcham für längere Zeit in den Bau wandert.«
»Könnten wir nicht eine Attrappe nehmen?«, meinte Simon.
Ralph fragte sich, warum sie nicht selbst daran gedacht hatte. Na ja, zum Glück war es Simon eingefallen.
»Ja, okay«, sagte Jack. »Wenn ihr euch dann besser fühlt.«
»Bestimmt«, erwiderte Ralph.
Zweifel befielen Ralph. Sie fürchtete, Jack würde das eine sagen und das andere tun – was bedeutete, dass sie darauf bestehen musste, die Waffe zu untersuchen, wenn es so weit war. Nur dass sie nicht da sein würde. Außerdem wäre es beleidigend für Jack und beunruhigend für die Gruppe.
Die Gruppe bedeutete ihr alles. Mit jedem Jahr, jedem Anruf, jeder Zusammenkunft, jedem Spiel wurde ihr das klarer.
Wenn wir nur damit zufrieden wären , schrieb sie einmal in ihr Tagebuch, uns dann und wann zu treffen, um in Kontakt zu bleiben, ohne das Spiel, würde mein Glück sich nicht so verdorben anfühlen .
Doch nur wenige Stunden später schrieb sie:
Heutzutage belüge ich mich selbst. Ich sage mir immer wieder, dass ich diese Dinge für sie tue, dass ich die Kontrolle übernehmen muss, damit sie gut spielen und keiner von ihnen zuSchaden kommt. Tatsächlich aber erfüllt mich die Aussicht auf zukünftige Spiele mit Hoffnung. Ich fühle mich dann wie ein Kind, das einen wunderschönen roten Luftballon am blauen Himmel sieht, dessen Schnur jedoch
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