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Die Rache der Kinder

Die Rache der Kinder

Titel: Die Rache der Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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zueinander. Sie hatten ihr nicht den geringsten Hinweis darauf gegeben, was sie von ihr wollten.
    »Was wir wollen, bist du.«
    Einer der Männer hatte das ganz zu Anfang gesagt. Es war der größere, kräftigere der beiden gewesen. Aber was hatte er damit gemeint? Warteten sie vielleicht auf jemanden oder irgendetwas? Oder wollten sie ihr mit dem Schweigen nur noch mehr Angst einjagen?
    Falls Letzteres der Fall sein sollte, hatten sie Erfolg.
    Sie hatten die Vorhänge zugezogen, sodass niemand hereinschauen konnte, aber einen Spalt frei gelassen, um selber nach draußen blicken zu können.
    Kate saß mitten auf dem Sofa, die Füße auf dem Kilimteppich davor. Einer der Männer saß nun links neben ihr, eine der Frauen rechts.
    Ihre Nähe bescherte Kate eine Gänsehaut. Zum ersten Mal im Leben wusste sie, was Angst wirklich bedeutete.
    Und Hilflosigkeit. Verwirrung.
    »Also«, sprach die zweite Frau, die vielleicht zwei Meter entfernt stand, sie plötzlich an. »Ich nehme an, du fühlst dich jetzt ziemlich wehrlos, stimmt’s, Kate?«
    Kate starrte zu ihr hinauf.
    »So fühlen sie sich jedenfalls.«
    Sie?
    »Am Ende des zweiten Monats«, die Frau neben Kate hatte eine tiefe, melodische Stimme, »sind sie nur ungefähr ein und einen Viertel Zoll groß, haben aber schon Arme und Beine.«
    »Und ihr Herz schlägt bereits«, sagte die stehende Frau.
    Babys.
    Embryos.
    Kates Gedanken überschlugen sich, doch ihre Furcht überlagerte alles.
    Sie schaute von einem zum anderen, sah die Handys an den Gürteln ihrer Overalls, blickte in die dunklen, undurchdringlichen Gesichter und konnte einfach nicht anders, als nach irgendetwas zu suchen, woran sie die Fremden hätte identifizieren können. Dabei war sie sich durchaus bewusst, dass es vermutlich besser war, die Gesichter der Leute nicht zu sehen, wollte sie hier lebend rauskommen.
    »Was guckst du so?« Der Mann, der nun neben der Haustür stand – der Kräftigere –, sprach mit Bristolakzent. Vor allem klang er aggressiv. »Hör einfach zu, klar?«
    Kate nickte und stieß durch den Knebel ein flehentliches Wimmern hervor.
    »Sei still.« Der Mann auf dem Sofa rechts neben ihr schien weniger feindselig zu sein.
    Kate schaute nach vorn, genau auf den Fernseher, den sie eigentlich schon eingeschaltet haben wollte, um es sich mit einem Glas Rotwein davor gemütlich zu machen.
    »Schon besser«, sagte der Mann neben ihr.
    Kate fragte sich, ob die Männer »netter Entführer, böser Entführer« spielten.
    »Am Ende des dritten Monats«, fuhr die Frau neben ihr fort, »reagieren sie schon auf Berührungen, und die Schmerzrezeptoren sind aktiv.«
    »Allerdings noch nicht die Nerven, die diese Schmerzen übertragen«, fügte die stehende Frau hinzu.
    Tatsächlich: ein klassisches Doppelspiel.
    Trotz des Nebelschleiers aus Furcht und Erschrecken erkannte Kate eine Mischung verschiedener Studien zu dem Thema, mit denen sie sich in der Vergangenheit aus gutem Grund hatte beschäftigen müssen.
    Die stehende Frau hielt zusammengeheftete Papiere in der Hand.
    »Wenn eine Abtreibung früh genug durchgeführt wird, nennt man das Absaugen .« Sie betonte das Wort über Gebühr, und ihre Stimme zitterte leicht. »Ein starker Absaugschlauch wird in die Gebärmutter eingeführt«, jetzt las sie ab, »und der Körper des Embryos wird von der Saugkraft zerrissen. Gemeinsam mit der Plazenta werden die Stücke von der Gebärmutterwand gerissen und als Abfall in eine Flasche gegeben.«
    Abtreibungsgegner.
    Sie waren fanatische Abtreibungsgegner.
    Kate hatte das Gefühl, als würden ihre Innereien sich zusammenziehen.
    »Wenn man noch ein bisschen länger wartet«, die sitzende Frau las nicht ab; also war sie entweder besser informiert oder hatte ihren Part besser auswendig gelernt, »oder wenn ein Stückdes Fötus zurückbleibt, nimmt man eine Kürette, um ihn auszuschaben.«
    Kate wandte sich ihr zu.
    »Kopf unten halten!«, befahl der Mann neben der Tür.
    Terroristen , entschied Kate. Das traf es besser als Entführer .
    Es war schwer zu sagen, wie sie sich nach dieser Erkenntnis fühlte.
    Sie war taub an Geist und Körper.
    Aber vielleicht war das die einzige Möglichkeit, dies hier zu überstehen.
    Der Mann neben ihr rutschte ein wenig herum; dann hielt auch er Papiere in der Hand. Kate warf einen verstohlenen Blick darauf und sah gedruckten Text, konnte aber keine Worte erkennen.
    »Wenn einem so etwas widerfährt«, las er vor, »fliegt jede Vorstellung, die man vorher vielleicht gehabt

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