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Die Rache Der Nibelungen

Titel: Die Rache Der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Dewi , Wolfgang Hohlbein
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Sicht, das seltsam vertraut ihm vorkam und in dem er Island zu erkennen glaubte. Sein Herz wurde schwer, und es drängte ihn, dort haltzumachen, um die Arme um die Brust alter Freunde zu schlingen. Doch das Boot unter ihm ließ keinen Umweg zu und hielt unbeirrt Kurs. Siegfried tröstete sich mit dem Gedanken, dass er sich getäuscht haben mochte und Island in Wirklichkeit weit weg war.
    Irgendwann blieb der Horizont dann leer, und auch kein einzelner Vogel mehr kreuzte den Himmel. So sehr Siegfried ins Wasser starrte, er sah keinen Fisch dort schwimmen. Er schloss daraus, dass der Rand der Erdenscheibe näher kam, der Ort, an den die Menschen sich nicht wagten, weil hier herrschte, was vor langer Zeit die Welt erschuf.
    Manchmal war ein Rauschen in der Luft, wie ferner Donnerhall, doch stetig und dunkel. Siegfried konnte nur vermuten, dass es die Wasserfälle am Ende der Welt waren, und er hoffte innig, dass sein Boot wirklich wusste, wie der Weg zu finden war. Die Route nicht selber zu bestimmen, erschien ihm nun wie ein Ärgernis, eine Gefahr, der er sich niemals hätte aussetzen dürfen. War er nicht immer stolz gewesen, seine eigenen Entscheidungen zu treffen? Wer hatte ihm je vorgeschrieben, wohin er zu gehen hatte? Nun war er gefangen auf dem weiten Meer in einem kru-den Gebilde aus Holz, den Mächten ausgeliefert, deren wahre Ziele er nicht kannte.
    Es fiel ihm auf, dass Tag und Nacht verschwanden, ineinander überflossen. Am Morgen wurde es nur wenig hell, und zum Abend ließ das spärliche Licht kaum nach. Dies verstärkte sich über die Tage, bis kein Unterschied mehr auszumachen war und trübe Dämmerung regierte. Siegfried verlor das Gefühl für Zeit, und es waren sein Magen und die schwindenden Rationen, die ihm das vage Gefühl gaben, dass aus Reisetagen Wochen wurden. Er fragte sich, wie groß die Weltenscheibe sein musste, um ihn so weit zu tragen, ohne dass er von den Rändern fiel.
    Was aber, wenn die Götter sein Schiff aus schierer Bosheit im Kreis führten? Er konnte treiben, bis sein Proviant verbraucht war, bis der Hunger ihn in den Wahnsinn trieb und schließlich der tote Leib auf dem feuchten Holz verfaulte.
    Unsinn!
    Er verscheuchte die düsteren Gedanken, die er den schlimmen Erinnerungen an seine Flucht aus Island zurechnete. Furchtbar war es gewesen, aber auch damals hatten die Götter ihn nicht im Stich gelassen.
    Seine Beine wurden müde ob der langen Sitzerei, und immer wieder musste er sich strecken und die zwei Schritte vom Bug zum Heck und zurück gehen, damit die Muskeln nicht das Wissen darum verloren, was ihre Aufgabe war.
    Irgendwann kam Nebel auf. Nicht die Sorte Nebel, die den Blick versperrt und in breiten Schwaden jeden fernen Punkt verschluckt, sondern der flache, teppichgleiche Nebel, der kaum eine Handbreit über dem Wasser stand und in dem Siegfried rühren konnte wie in einer warmen Suppe.
    Es wurde auch kälter. Kälter als die Isländer Winter, kälter noch als ein Grab aus Schnee. So kalt, wie Siegfried sich den Tod vorstellte. Er zog die Beine an und schlang die Arme darum. Seinen Kopf steckte er zwischen die Knie, und alle Felle und Decken, die er bei sich hatte, warf er über seine zusammengekauerte Gestalt. So hatte es ihn Eolind gelehrt. Der Kälte durfte man keine Fläche geben, sonst sog sie einem hungrig das Leben aus dem Körper.
    Siegfried versuchte, Brunhilde anzurufen, die Götter, den Geist seines Vaters. Es gab keine Antwort, und jedes in die Düsternis gerufene Wort sog eisige Luft in seine Lungen, und er ließ es bald wieder sein.
    Er dämmerte nun vor sich hin, mit dem Gedanken an Xandria als einzige kleine Flamme. Vom Schlaf zum Wachzustand ging es fließend, als müsse er die Tagundnachtgleiche imitieren. Manchmal schreckte er hoch, was kaum noch einem müden Kopfheben entsprach, und wusste dann nicht mehr, wie lange er gedöst oder was ihn geweckt hatte.
    Irgendwann knirschte es, als stöhnte einer der Titanen, und das taube Fleisch von Siegfrieds Körper ruckte hin und her. Er zwang seine Augen auf, spähte durch den Schlitz, den er in seinen schützenden Fellen gelassen hatte.
    Da war ... Dunkel vor dem Boot. Er konnte es nicht genauer beschreiben, es war nur einfach nicht die hellgraue Trübnis, die er in den letzten Tagen – Wochen? – gesehen hatte.
    Er schälte sich aus dem wärmenden Haufen und stellte fest, dass die Kälte nachgelassen hatte. Zwar fror ein eisiger Wind immer noch die Härchen auf seinem Arm, doch war kein Frost mehr

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