Die Rache Der Nibelungen
etwas zu haben, das ich noch verlieren könnte«, hielt Siegfried dagegen, und im Geiste schalt er sich, dass seine Hand zitterte. »Doch ihr habt mir schon alles genommen.«
»Dein Leben, unversehrt«, erinnerte ihn Brunhilde. »Es ist ein größerer Schatz, als dir bewusst sein mag.«
»Es ist kein Leben ohne Xandria«, widersprach Siegfried.
Brunhilde lächelte kalt. »Als sie dein war, war es dir nicht genug.«
Ein Schauer durchlief Siegfried, und gänzlich unmännliche Tränen rannen seine Wange hinab. »Erinnere mich nicht! Was zählt, ist jetzt. Und wenn sie lebt ...«
»... sie lebt ...«
»... dann werde ich sie finden! Und dann wird diese Posse ein Ende haben.«
Die Stärke des Kriegers, die ihn getrieben hatte, der Walküre das Schwert an den Hals zu setzen, war schnell wieder verebbt. Er tat Brunhilde leid, und vielleicht war das von Anfang an der Fehler gewesen – Mitleid war nicht die Aufgabe einer Walküre. »Sie finden zu wollen ist die Posse – hast du auch nur einen Moment gedacht, ihr Überleben ist Zufall? Es ist Odins Wille, sein Köder für Siegfried, der nach ihm schnappen wird, weil seine Dummheit es ihm gebietet.«
»Nicht Dummheit, nur meine Liebe«, flüsterte Siegfried. »Und wenn beides eins ist, soll es mir egal sein.«
»Dann nimm mein Pferd Hjordan, gezeugt von Sleipnir, dem Hengst Odins«, sagte Brunhilde, denn nichts sonst drang mehr zum Prinzen durch. »Er wird dich zu den Wurzeln Yggdrasils in Utgard bringen. Die schwarze Horde wirst du erkennen, wenn du sie siehst.«
»Werde ich Xandria finden?«, wollte Siegfried wissen.
Die Walküre seufzte. »Wenn du die Ratschläge deines Lebens zu befolgen in der Lage bist, dann besteht die Möglichkeit.«
»Werde ich sie retten?«, hakte er nach.
»Du
kannst
sie retten«, sagte Brunhilde vorsichtig. »Doch was du zu retten trachtest, mag nicht mehr zu retten sein. Mehr kann ich nicht sagen.«
Siegfried schwang sich auf das achtbeinige Pferd Hjor-dan, das sich ihm nicht widersetzte. »Was gibt es mehr zu sagen? Wenn ich sie retten kann, werde ich es tun. Kein Preis ist ab heute mehr zu hoch.«
»Und genau darauf setzen die Nibelungen«, warnte Brunhilde. »Sie vertrauen, dass alles, was du bist und hast, in der Waagschale landet, solange Xandria dein Ziel ist.«
»Was haben die Nibelungen damit zu tun?«, fragte Siegfried. »Ist, was geschehen ist, nicht Tat des Göttervaters selbst?«
Brunhilde nickte. »Aber wer, glaubst du, flüsterte ihm ein von deiner und meiner Weigerung, dem Schicksalspfad zu folgen? Wer nannte ihm die Königin als Mittel größten Leides, das dir anzutun wäre?«
Siegfried steckte Nothung in die lederne Scheide auf seinem Rücken. »Dann werden nach meiner Rückkehr die Nibelungen selbst sich zu verantworten haben. Und es wird keine Debatte sein – ich werde jeden Einzelnen von ihnen vernichten, bis das Ende des Fluches nicht mehr in ihrer Entscheidung liegt, sondern in ihrem Tod. Das sei mein Schwur.«
Brunhilde legte Hjordan die Hand auf die Nüstern und sprach leise zu ihrem Hengst. »Sei willens, den Menschen auf deinem Rücken zu tragen. Bring ihn nach Utgard, und warte bei Yggdrasil, bis er zurückkehrt oder ich dich rufe.«
Hjordan schnaufte leicht, und Brunhilde wusste, dass ihr Pferd besser Folge leisten würde als jeder Mensch, mit dem sie in dieser Tragödie zu tun gehabt hatte.
Sie sah Siegfried an und trank ein letztes Mal den Anblick des Gesichts, das sie an seinem Vater so geliebt hatte. »Mehr kann ich für dich nicht tun.«
Siegfried nickte. »Und weil die Gelegenheit sich vielleicht nicht ergibt, möchte ich dir an dieser Stelle Dank sagen. Mag im Ergebnis auch nur Leid liegen, so erkenne ich im Bemühen deine Absicht. Ich weiß um die Gefahren, die du meinetwegen eingegangen bist. Könnte ich es dir vergelten – ich würde es tun.«
»Vielleicht geben uns die Götter eines Tages Zeit und Gelegenheit«, flüsterte die Walküre und ließ die Nüstern von Hjordan los, dessen acht Beine funkensprühend auf die Steine traten. »Viele Prüfungen warten auf dich. Kämpfe mit Würde.«
Siegfried nickte, und das Pferd, auf dem er saß, drehte sich, um in den Boden zu reiten, als sei er ein Hügel, der sich bergab neigte. Als Letztes sah Brunhilde die erhobene Spitze Nothungs, die von der Erde verschluckt wurde.
So stand sie in der verbrannten Burg, inmitten eines toten Volkes, und konnte nur warten. Ohne den treuen Hjor-dan war ihr nicht gegeben, aus den Höhen das Geschehen zu
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