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Die Rache Der Nibelungen

Titel: Die Rache Der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Dewi , Wolfgang Hohlbein
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überschauen.
    Vielleicht war es besser so.
    Der Wolf, Siegfrieds meist stiller Begleiter, trottete auf den Hof, die Leichen ignorierend. Er labte sich nicht am Fleisch der Ermordeten, sondern kam auf die Walküre zu, den Blick fragend, fast anklagend.
    »Sieh mich nicht so an«, sagte Brunhilde. »Sieh mich nicht an, als sei es alles meine Schuld.«
    Sie dachte es selber schon oft genug.

6
Siegfrieds Abstieg nach Utgard

    A uf Hjordans Rücken war der Ritt durch die Midgardscheibe verführerisch leicht. Zwar kratzte die Erde an Siegfrieds Haut, und dann und wann spürte er Steine und Zweige im Gesicht, doch war er selbst kaum von fester Gestalt. Das Pferd der Walküre war sein Schild, so wie es einen Seemann kaum zu scheren braucht, welche Temperatur das Wasser unter dem Schiff hat.
    Natürlich kannte Siegfried die Geschichte der Welt, wie sie in den Göttersagen seiner Vorfahren erzählt wurde. Dass die Erde eine Scheibe war, überspannt von Asgard jenseits des Himmelszelts, und Utgard überragend, verbunden alle drei durch den mächtigen Lebensbaum Yggdrasil, das lernte man von Kindesbeinen an. Doch stand es auch geschrieben, dass es den Menschen verboten wie unmöglich war, Utgard zu betreten, oder Asgard. Midgard galt als die schwächste aller Scheiben, mit Wesen, die nach dem Willen der Götter tanzten und in Furcht vor der Unterwelt den Rand der Erde mieden. Weder Göttern noch Titanen waren die Menschen gewachsen, und so konnten sie nur hoffen, ihr Leben zu vollenden, ohne zwischen beiden zerrieben zu werden. Am Ende wartete auf alle Ragnarök, wenn der Wolf Skalli die Sonne fressen und Wolf Hati den Mond schlucken würde.
    Doch bis dahin blieb Siegfried ausreichend Zeit für Rache.
    Der Durchbruch durch die Midgardscheibe in die Unterwelt war einem Auftauchen aus dem Wasser ähnlich, auch wenn er nach unten geschah. Druck wich von Siegfried, Wind blies ihm hart den Dreck aus den Haaren, und er spürte, wie seine Kleidung an ihm flatterte. Er riss die Augen auf, und wahrlich – es war eine düstere Welt, über die er seinen Blick schweifen ließ. So hoch wie die Wolken über Midgard, so hoch schwebte er auf dem Rücken des Walkürenpferds dahin. Obwohl nichts unter Hjordans Hufen war, fielen sie nicht in die Tiefe dem sicheren Tod entgegen. Stattdessen glitt das Tier mit ruhigem Schwung, die acht Beine leicht nach hinten angewinkelt, dem Boden entgegen.
    Keine Sekunde vergaß Siegfried, warum er hier war. Dennoch gönnte er sich Minuten des Erstaunens, während er noch sicher auf Hjordan saß. Wer konnte sagen, ob je ein Mensch zuvor die Größe und düstere Pracht Utgards gesehen hatte? Da waren Berge, die Feuer spien, und schwarze Flüsse, die grüne Dämpfe schwitzten. In der Ferne bebte es, und mühsam machte Siegfried eine Gestalt aus, die kaum kleiner als die Felseninsel von Island sein konnte und sich knirschend aus der Erde wühlte. Da waren ... Dinge, anders konnte er sie nicht benennen, die in der Luft ihre Kreise zogen. Keine Vögel – unförmige Kreaturen mit unzähligen Gliedern und brennenden Augen.
    Es roch nach Schwefel und verbranntem Fleisch. Abgestanden und muffig war die Luft, und sie stach in den Lungen. Es war auch nicht still – Schreie aus so vielen Gegenden und in verschiedenen Lautstärken mischten sich zu einem seltsam schrillen Ton, der weder Anfang noch Ende kannte. Ob Wut oder Verzweiflung die Kehlen trieb, war nicht zu sagen.
    Und in der Mitte – Yggdrasil.
    Der Weltenbaum.
    Irgendwie hatte Siegfried nicht gedacht, dass es im wortwörtlichen Sinne ein Baum sein würde, doch er wurde eines Besseren belehrt.
    Yggdrasil war ein Baum. Hier in Utgard sah man nur die knotigen Wurzeln, die ihn hielten, und den unteren Teil des Stammes bis hinauf zur Midgardscheibe, der vom Umfang her die Größe Xantens sicherlich überbot. Siegfried zweifelte nicht, dass es Wochen dauern würde, den Baum nur einmal zu umrunden. Die Wurzeln selbst waren breit wie der Rhein, und so lang und gewunden waren sie auch. Wie ein Fluss schienen sie in Bewegung, als wäre Yggdrasil ein lebendes Wesen, das unter der Last der Weltenscheiben stöhnte.
    Fast bedauerte es Siegfried, als Hjordan sich dem Boden näherte und ihn nahe der dünnsten Wurzeln absetzte, die noch dick wie ein Steinturm der Burg Burgund waren. Das Pferd war vom schrecklichen Anblick Utgards unbeeindruckt, denn sein Leben konnten die Dämonen, die hier hausten, ihm nicht nehmen. Wahrscheinlich hatte man den Feuerstreifen, den seine acht

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