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Die Rache Der Nibelungen

Titel: Die Rache Der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Dewi , Wolfgang Hohlbein
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seine letzten Worte über das Wasser, und dann war seine Familie begraben. Nicht in Würde, aber doch begraben.
    Sigurd hätte nun tagelang auf der Felsenspitze sitzen können, kraftlos und der Trauer ergeben. Aber Eolind hatte ihn noch gewarnt – früher oder später würden die Xantener die durchbrochene Mauer zum Felsengang finden, und dann musste er weit fort sein. Also sprang Sigurd selbst in die Fluten, ließ das Wasser an seinem Körper zerren und schwamm mit kräftigen Stößen gegen das Meer, das ihn unwillig wieder an Land spucken wollte. Der Gedanke, sich den Strömungen zu ergeben und irgendwo in der Tiefe mit seiner Familie vereint zu sein, lockte verführerisch, doch er warf wütend den Kopf hin und her und kämpfte sich wieder an die Wasseroberfläche.
    Er musste am Leben bleiben. Und sei es nur um der Rache willen. Seine Wut machte ihn den Göttern gleich, unverwundbar und getrieben.
    An die zwei Stunden schwamm Sigurd gegen die Wellen, bis er das Boot wiederfand, mit dem er und seine Getreuen gereist waren. Er zog sich am Ankerseil hoch, und sein Körper fiel schwer auf das Deck.
    Es begann zu regnen. Graue, schwere Tropfen. Kein Horizont war zu sehen, und Island nur eine dunkle Ahnung, ein zitternder Schatten.
    Mit müden Schritten kroch Sigurd unter Deck, fand etwas zu essen und tauschte die nassen Kleider gegen trockenes Leder, dem er einen Umhang aus gewachstem Tuch überwarf. Es trieb ihn fort, aber die Zeit musste er sich nehmen – er hatte das Massaker an Island nicht überlebt, um von einer Lungenentzündung dahingerafft zu werden.
    Der Anker hatte sich im rauen Meeresboden verhakt, und Sigurd sah keinen Anlass, ihn zu bergen. Mit einem langen Seefahrermesser durchtrennte er das Seil, und schon die nächste Welle riss das kleine Schiff in die Höhe.
    Mittlerweile peitschte der Sturm, von Blitz und Donner unterlegt, und mehr Regen als Wind schlug in das Segel, das Sigurd aufzog.
    Zu steuern war das Schiff alleine nicht, schon gar nicht, wenn die Naturgewalten am Segel zerrten, als wollten sie das Schiff aus den Wogen heben. Das Ruder war festgezurrt, und es war nur noch zu hoffen, dass der Kurs stimmte. Alles nach Süden und Osten war Sigurd genehm – über Dänemark konnte er genauso fliehen wie durch das Land der Franken. Leichter würde sicherlich das alte Britannien zu erreichen sein. Die Römer hatten es weitgehend aufgegeben, und sechs kleine Reiche waren entstanden. Seine Mutter hatte Sigurd oft von den Jüten erzählt, die in Kent Schrift und Verwaltung der Besatzer übernommen hatten. Die wilderen Geschichten kamen jedoch aus den Gebieten der Sachsen und Angeln.
    Hauptsache, der Sturm warf Sigurd nicht gleich wieder gegen die Küste Islands oder trieb ihn gen Norden oder Westen. Einige Seefahrer hatten von neuen, unberührten Ländern dort gesprochen, doch sie waren von den Gelehrten verlacht worden. Island lag nahe am Rand der Weltscheibe, das hatte der Prinz von Eolind gelernt, und von dort stürzte man tief nach Utgard, wo die Riesen und Trolle waren. Die Götter zu fordern war nicht weise.
    Sigurd glaubte das Glück der Götter auf seiner Seite – das Unwetter trieb sein Schiff schnell vor sich her, weg von Island und dem Rand der Welt.
    Dann brach der Mast unter der Wut von Wind und Regen.

    »Der Junge wird sterben«, flüsterte Xandria so leise, dass die Mutter es nicht hören konnte.
    Hedes Augen wurden groß. »Seid Ihr da sicher, Prinzessin? Sollen wir nicht lieber einen Heiler kommen lassen?«
    Xandria blickte liebevoll zu dem kleinen, kaum den Windeln entwachsenen Kind, das mit rasselndem Atem auf dem fleckigen Lager seiner Eltern unruhig schlief. »Sie würden nicht kommen – es gibt kein Geld, das sie aus den armen Leuten pressen können, und bevor sie ihre Pulver verrührt hätten, ist der Knabe tot. Die Lungen sind mit Flüssigkeit gefüllt, die Luft kommt nicht mehr in seinen Körper.«
    Die Hofdame der Prinzessin von Xanten sah sich unsicher in der kleinen Lehmhütte um, die eine Stunde Fußmarsch von der Burg entfernt lag. Sie presste dabei ein Tuch vor den Mund. Es stank, weil Mensch und Tier die Ausscheidungen ihrer Körper in die Ecken gaben und Fliegen und anderes Geschmeiß sich darum balgte.
    Hede verabscheute es, wenn die Prinzessin in einem einfachen Leinenkleid dem gemeinen Volk die Aufwartung machte und sich dabei nicht zu schade war, Kranke und Hungernde mit den zarten Händen zu berühren. Xandria nutzte die Abwesenheit ihres Vaters, wenigstens im

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