Die Rache Der Nibelungen
öffnete die Falltür im Boden, unter der im Kriechkeller früher immer der Wein kühl gelagert worden war.
Es war nun der Ort der Begegnung für den Widerstand.
Gelen war da, Jon ebenfalls, und eine Handvoll anderer tapferer Isländer, deren Herz noch für die Heimat schlug. An der Wand hing das Wappen des Reiches, schmutzig von den Fußtritten der Feinde, und im Licht von ein paar Kerzen schlugen sie Eolind freundlich, doch mit ernstem Blick auf die Schulter.
»Bring uns gute Nachricht, Freund«, sagte Jon.
Der gemeinsame Gegner hatte sie zu Brüdern gemacht, und es lag Eolind nicht mehr daran, seinen Stand zu betonen. »Es ist geschehen, wie wir es erhofft haben. Der General der Hunde lässt Island schrumpfen, bis es klein ist – und bald wieder stark.«
»Und der Rest des Reiches?«, wollte der baumstarke Sven wissen.
»Der Rest des Reiches wird aufgegeben – von den Xantenern, nicht jedoch von uns. Was an jungen Männern sich verstecken konnte, was an Schmieden noch nicht unter dem Joch des Feindes steht, wird sich an der Küste im Norden einfinden. In eigenen Minen, in eigenen Werkstätten werden wir schuften Tag und Nacht.«
Jörn war nicht überzeugt. »Das klingt sehr schön, doch kaum ein Mann ist übrig, und wenn der Geruch des Windes nicht täuscht, steht uns ein harter Winter bevor.«
Auch Sven nickte. »Im Winter in den Minen zu arbeiten, mag uns schneller töten als die Klingen der Xantener.«
»Wenn es euch lieber ist, unter der Knute des Feindes zu stöhnen, dann steht euch das frei«, knurrte Eolind.
Das wollte niemand.
»Für das Land zu sterben ist allemal besser als für den Feind«, murmelte Jörn nun.
Eolind wandte sich an Sigurds alte Freunde. »Und eure Aufgabe ist es, den Widerstand zu leiten und in großer Verantwortung zu schützen. Seid den wenigen verbliebenen Männern Väter genauso wie Anführer. Für Island.«
Gelen und Jon nickten, die schwere Aufgabe wie selbstverständlich akzeptierend.
»Und wie lange wollen wir warten?«, fragte Sven. »Wie viele Schwerter müssen sein, auf dass wir das Pack von unserer Insel vertreiben können?«
»Es wäre nicht damit getan, den Besatzungstruppen Wulfgars die Kehlen durchzuschneiden, so gut das Blut der Xantener auch schmecken würde«, erklärte Eolind. »In wenigen Wochen hätten wir eine neue Flotte am Horizont, und am Ende wäre nicht mal mehr ein Rabe übrig, in dem Isländer Blut fließt. Die Zeit zum Aufstand kommt, wenn Wulfgar selbst geschlagen ist.«
Die Männer, die mit Ausnahme von Jon und Gelen nicht wussten, dass Sigurd noch am Leben war, begannen unruhig zu murmeln. Für sie war nicht absehbar, wann und wie der König von Xanten geschlagen werden sollte. Eolind hob die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. »Es wird geschehen. Weil es die Götter wollen.«
Sie alle nahmen ihre Kelche, in denen das verdünnte Bier schwappte, welches die letzten Braustätten noch hergaben. »Auf Island!«
»Auf Island!«
»Auf Xanten!«, brüllte Wulfgar so laut wie betrunken. Seine Männer grölten begeistert, soweit sie dazu noch fähig waren.
Seit Wochen war die Burg der Ort eines nicht enden wollenden Gelages, und Schwein um Schwein landete am Spieß. Weder die Öfen der Bäcker noch die Kessel der Braumeister kamen dem nach.
Wulfgar feierte mehr als nur den Sieg über Island. Ein so kleines und unbedeutendes Reich zu unterwerfen war keine Leistung, der ein Feldherr sich rühmen konnte. Zugegeben, der Einmarsch war schnell und effizient gewesen, mit kaum Verlusten auf Xantener Seite, aber die Isländer hatten keine nennenswerten Truppen gehabt, deren Widerstand man brechen musste.
Was Wulfgar hingegen feierte, war die Sicherung seiner Macht im eigenen Reich. Mit dem Tod Gernots und seiner Kinder war niemand mehr da, der legitimen Anspruch auf Xanten anmelden konnte. Nicht die Römer, nicht die Päpste, nicht mal der König der Franken konnte nun die Macht Wulfgars in Zweifel ziehen. Mit diesem Sieg hatte die Blutlinie Wulfgars die Herrschaft übernommen, und es gab keinen Grund zu glauben, dass ihr nicht Jahrhunderte der Regentschaft bevorstanden.
So war es immer gewesen. Ein Herrscherhaus starb aus, ein anderes rückte nach. Wulfgar hatte nur ein wenig ... nachgeholfen.
Diplomatische Verwicklungen waren nicht zu erwarten. Der König der Franken schätzte Xanten als einen Verbündeten gegen Sachsen, mit dem der Friede brüchig war. Die Dänen hatten kein Interesse, das Schicksal Islands zu teilen. Und die Römer
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