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Die Rache des Samurai

Die Rache des Samurai

Titel: Die Rache des Samurai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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einige Augenblicke auskosten lassen.
    »Ich würde mir gern Kaibaras Leichnam ansehen«, sagte er.
    »Natürlich.« Doktor Ito wandte sich an seine Eta-Helfer und sagte: »Macht die Tische sauber. Dann schafft den Körper und den Kopf herbei, die heute morgen hereingebracht wurden. – Mura?« wandte er sich an seinen Assistenten, der soeben in die Leichenhalle kam.
    Mura nickte Sano kaum merklich zu: Die mitgebrachten Geschenke waren verstaut. Dann sagte er: »Ja, Herr«, und ging zu einem Schrank, um die erforderlichen Geräte zu holen.
    Die Helfer schafften derweil die eingewickelten Leichen fort und kamen kurz darauf mit zwei Bündeln wieder, einem großen, langen und einem kleineren, runden; beide waren mit grobem Leinenstoff umwickelt. Die Helfer legten die Bündel getrennt auf zwei Tische, zogen sich zurück und ließen Sano, Doktor Ito und Mura allein.
    »Die Überreste sind noch nicht gewaschen«, warnte Doktor Ito Sano vor, »und noch nicht für die Einäscherung vorbereitet.«
    »Gut.« Sano nickte zufrieden. Also waren an den Überresten vielleicht noch Hinweise zu sehen, die von Wichtigkeit sein konnten. Doch als Mura die Leinenumwicklung entfernte, wappnete Sano sich, bevor er den ersten Blick auf den Inhalt warf. Er hoffte, daß sein Magen nicht rebellierte, so wie damals, nach seinem ersten Besuch in der Leichenhalle. Seither hatte er viele Tote in unterschiedlichem Zustand gesehen, sowohl in der Leichenhalle als auch an anderen, weitaus ungewöhnlicheren Orten. Doch der Gedanke, daß er nun Kopf und Rumpf Kaibaras zu sehen bekam, ließ leichte Übelkeit in ihm aufsteigen.
    Mura schlug die letzte Umwicklung zur Seite. Sano schluckte schwer. Getrocknetes Blut hatte die Kleidung des Toten zusammengebacken und so sehr durchtränkt, daß die ursprüngliche Farbe nicht mehr zu erkennen war. Auch die Schwerter, welche noch in den Scheiden steckten, die an der Schärpe hingen, waren blutbespritzt; überdies hatte das Blut um den Halsstumpf herum eine dicke Kruste gebildet. Sano zwang sich, näher zu treten, und zuckte zusammen, als ihm die widerlichen, süßlich metallischen Gerüche nach Blut und Verwesung in die Nase stiegen.
    »Ich nehme an, daß es in diesem Fall überflüssig ist, eine Sezierung vorzunehmen, weil die Todesursache ja offensichtlich sein dürfte«, sagte Sano, erleichtert, daß ihm dies erspart blieb.
    Nie würde er die erste Sezierung vergessen, die er miterlebt hatte, oder das schreckliche Gefühl der Unreinheit, das ihn befallen hatte, als er beobachtete, wie der menschliche Körper zerschnitten, zerlegt und verstümmelt worden war. Doch bei allem Entsetzen und Abscheu hatte er mehr Grund zur Erleichterung, daß niemand von der Leichenöffnung erfahren hatte: Das Sezieren war noch immer so gesetzwidrig wie zu der Zeit, als man Doktor Ito verurteilt hatte. Sano bezweifelte, daß ihn sogar die schützende Hand des Shōgun vor den Konsequenzen bewahren konnte, die sich ergaben, wenn man bei der Ausübung verbotener fremdländischer Wissenschaften ertappt wurde. Statt es als unumgängliche Maßnahme zu betrachten, würde der kultivierte, fromme Tokugawa Tsunayoshi vielleicht dermaßen erbost reagieren, daß er Sano in die Verbannung schickte oder zumindest zu der Ansicht gelangte, sich einen sōsakan von so zweifelhaftem Charakter nicht leisten zu können. Der Gedanke, gegen das Gesetz zu verstoßen und seine Stellung zu gefährden, erfüllte Sano mit Furcht. Doch wie schon bei der Aufklärung seines ersten Mordfalles würde er nicht darauf verzichten; sein Verlangen, die Wahrheit zu enthüllen, war stärker.
    »Nein, eine Sezierung erscheint mir nicht erforderlich«, meinte auch Doktor Ito. Er ging um den Tisch herum und betrachtete den Körper aus allen Blickwinkeln. »Aber wir werden sehen. Mura, zieh ihm die Kleider aus.«
    Trotz aller Fortschrittlichkeit hielt Ito sich an die Tradition, den direkten Kontakt mit Leichen allein den Eta zu überlassen. Mura erledigte sämtliche körperlichen Arbeiten, die mit Doktor Itos Studien zu tun hatten. Nun begann Mura, den Leichnam zu entkleiden.
    Sano schaute sich die Schwerter genauer an und ergriff sie mit den Spitzen von Daumen und Zeigefinger, um nicht mit den Blutspritzern in Berührung zu kommen. Beide Waffen zog er aus den Scheiden, so daß die schimmernden Klingen zum Vorschein kamen.
    »Sauber«, sagte er. »Er hat nicht einmal seine Schwerter gezogen, geschweige denn seinem Angreifer damit eine Schnittwunde zugefügt.« Soviel zu dem

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