Die Rache des Stalkers
mit einem Mechaniker befreundet, der hat mir schon aus anderen Notlagen geholfen.« Er angelte sein Handy aus dem Anzug und drückte eine Taste.
»In einer halben Stunde kommt er vorbei«, informierte Jürgen sie nach dem Gespräch.
»Wenn du möchtest, warte ich so lange.«
»Geh ruhig auf Ganovenjagd. Beim Fluchen bin ich lieber ungestört.«
19
Im Präsidium fasste sich Anja ein Herz und bat den Kollegen Jäckel um Rat, der kürzlich einen Fall abgeschlossen hatte, in dem ein Fan eine bekannte Schlagersängerin mit seinen Liebesbeweisen terrorisiert und sie fast bei einem vorsätzlich verursachten Autounfall getötet hatte.
»Schwierig«, meinte er nach Aufzählung der Fakten. »Du weißt, wie wir Polizisten auf solche Fälle reagieren.«
»Hm-mh«, brummte sie. »Reine Privatsache. Zumindest solange nichts Ernstes passiert.« Eine Sichtweise, die sie geteilt hatte, bis Frank seine Wut an Jürgens Auto abreagiert hatte.
»Kannst du beweisen, dass dein Ex für die zerstochenen Reifen verantwortlich ist?«
»Natürlich nicht. Doch daran gibt es keinen Zweifel. Der Zufall wäre zu groß.«
»Er hat sich damit der Sachbeschädigung schuldig gemacht. Und das Eindringen in deine Privatsphäre durch seinen Psychoterror mit den Telefonaten und dem Brief erfüllt nach den Buchstaben des Gesetzes den Tatbestand der Nachstellung, der laut Paragraph 238 Strafgesetzbuch bestraft werden kann.«
»Würdest du mir empfehlen, Strafanzeige zu erstatten?« Obwohl sie jeden Tag mit diesen Dingen zu tun hatte, fühlte sich Anja in der ihr unbekannten Rolle des Opfers verunsichert.
»Dazu fehlen die Sachbeweise. Den Brief hast du weggeworfen, die Kurznachrichten und seine Anrufe auf der Mailbox gelöscht.«
Während sie ihrem Kollegen lauschte, ärgerte sie sich, dass ihr diese Fehler unterlaufen waren. Bislang hatte sie Franks Hass einfach nicht ernst genommen.
»Du solltest ihn fotografieren, wenn du ihn das nächste Mal auf der Straße entdeckst. Und seine zukünftigen Nachrichten speichern.«
Sie besprach mit Jäckel die Möglichkeiten des Zivilrechts, gegen Frank vorzugehen. Zum einen könnte sie eine einstweilige Verfügung erwirken, zum anderen eine Unterlassungsklage anstrengen. Beides mit dem Ziel, ihm seine belästigenden Handlungen per Gerichtsbeschluss untersagen zu lassen. Aber Frank verfügte nur über ein geringes Einkommen, sodass sich ein Zwangsgeld bei Zuwiderhandlung als stumpfes Skalpell erweisen würde. Und selbst ein richterliches Urteil garantierte ihr weder Schutz noch Ruhe. Jäckel berichtete von der Schlagersängerin, die alle Rechtsmittel ausgeschöpft hatte, um Sicherheit zu erlangen. Und genau deswegen war der Fan schließlich ausgerastet. Manchmal brachte gerade dieser Schritt das Fass zum Überlaufen.
Nicht nur, um sich von Frank abzulenken, studierte sie die Notizen über Daniel Lundberg. Ihn hielt sie für die interessanteste Spur. Altermann hatte in seiner E-Mail von einer flüchtigen Verbindung zwischen ihm und seinem Mordopfer geschrieben. Anja hatte ein Filmzitat im Kopf: Wir begehren, was wir sehen. Wenn sie sich nicht irrte, stammte dieser Satz aus Das Schweigen der Lämmer . Eine Weisheit, die sich auf viele kriminalpolizeiliche Ermittlungen übertragen ließ. Man begehrte das, was man sah. Falls man es nicht besitzen konnte, raubte, entführte oder tötete man das Objekt seiner Begierde.
Sofern es sich bei Lundberg um Altermann handelte, war dann die räumliche Nähe, in der sie gewohnt hatten, diese Verbindung oder gab es eine weitere?
Sie wollte den Pfleger nicht verhören, um diesen Punkt abzuklären. Auch hier galt es, der Spur im Verborgenen zu folgen. Also musste sie auf eine andere Art und Weise an Informationen gelangen.
In ihren Akten suchte sie nach der Telefonnummer von Julias Freundin Maria und erreichte sie bei der Arbeit. Der Name Daniel Lundberg sagte dieser jedoch nichts; genauso reagierten Julias Mutter und die zwei Freundinnen, die sie danach anrief.
Worin bestand die flüchtige Verbindung?
Wieder entsann sie sich Altermanns Worte, sein Opfer verfolgt zu haben. Damit gab er den Hinweis, dass er ihr nicht erst in der Südstraße aufgelauert hatte und dies kein zufälliges Verbrechen gewesen war, hervorgerufen durch eine günstige Gelegenheit.
Das Telefon klingelte und riss sie aus ihren Überlegungen.
»Hübner am Apparat.«
»Sie werden den Fall niemals ohne Hilfe lösen.« Eine seltsam verstellte, heiser klingende weibliche Stimme drang an ihr
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