Die Radleys
hierzubleiben. Allerdings habe ich Ihnen deutlich zu verstehen gegeben, was passiert, wenn Sie jetzt gehen und irgendwem etwas weitersagen.«
Geoff spießt die Plastikgabel in eine der restlichen Pommes. »Bis jetzt hab ich noch niemanden getroffen, dem ich was verraten könnte, oder, meine Liebe?« Er isst die Pommes,von der die Hälfte abfällt, bevor sie seinen Mund erreicht und die infolgedessen aus seinem Schoß entfernt werden muss. »Und wenn er sich nicht in dem Camper aufhält, warum durchsuchen wir den dann nicht, um Beweise zu sammeln?«
»Kommt noch.«
»Wann?«
Sie seufzt, genervt von den endlosen Fragen. »Wenn wir ihn liquidiert haben.«
»Liquidiert!« Geoff schüttelt kichernd den Kopf. »Liquidiert!«
Ein paar Minuten später beobachtet sie, wie er sein Mobiltelefon aus der Tasche zieht und eine SMS an seine Frau schickt. »Wird spät«, liest Alison, um zu prüfen, ob er zu viel preisgibt. »Bis z. Hals im Papierkram. Gxx.«
Alison ist überrascht wegen der beiden Küsschen. So sieht er gar nicht aus. Sie denkt an Chris, den Mann, den sie vor zehn Jahren fast geheiratet hätte, bis ihn ihre ständigen Überstunden abgeschreckt hatten, die Arbeit an Wochenenden und die Tatsache, dass sie ihm nicht erzählen durfte, was sie eigentlich genau machte.
Chris war ein netter Kerl gewesen. Ein gutmütiger, zurückhaltender Geschichtslehrer aus Middlesborough mit einer Vorliebe für Nordic Walking, der sie oft genug zum Lachen brachte, um sich eine Beziehung mit ihm vorstellen zu können. Sie zum Lachen zu bringen war schließlich noch nie einfach gewesen.
Liebe war es aber nicht gewesen. Die prickelnde, wahnsinnige Liebe, von der in Gedichten und Popsongs die Rede war, hatte sie nie wirklich verstanden, auch als Teenager nicht. Kameradschaft, das war etwas, wonach sie sich oft sehnte, jemanden, der da war und ihr großes Haus ein bisschen gemütlicher machte.
Sie konzentriert sich wieder, als sie die Verstärkung eintreffen sieht, in einem Kleinlaster, der als Auslieferung einer Online-Gärtnerei getarnt ist.
Wird auch Zeit, denkt sie mit dem beruhigenden Wissen, dass fünf Mitglieder ihrer Einheit in diesem Laster sitzen, mit Schutzkleidung und Armbrüsten bewaffnet, falls Will versuchen sollte, sie anzugreifen.
Geoff denkt sich nichts bei dem Laster.
»Nette Straße, finden Sie nicht?«
»Ja«, sagt sie, ohne den neidischen Unterton in seiner Stimme zu überhören.
»Wette, die Häuser bringen hier einiges ein.«
Er hat seine Pommes aufgegessen und platziert zu Alisons Entsetzen das saucenverschmierte Tablett zu seinen Füßen, statt sich auf die Suche nach einem Abfalleimer zu machen. Sie sitzen in einmütigem Schweigen eine Weile nebeneinander, bis es irgendwann etwas Interessantes zu sehen gibt. Rowan Radley verlässt Nummer siebzehn und geht auf den Camper zu.
»Der Bursche ist also ein Vampir, sagen Sie?«
»Technisch gesehen ja.«
Geoff lacht. »Na, ich finde, er könnte ein bisschen Sonnenbräune gebrauchen.«
Sie beobachten, wie er in den Campingbus klettert, um kurz darauf wieder herauszukommen.
»Sieht nicht gerade fröhlich aus«, kommentiert Geoff.
Alison sieht im Rückspiegel, wie Rowan Radley die Straße entlanggeht, und entdeckt jemanden, der auf ihn zukommt, hinter einem Goldregen verborgen. Irgendwann kann sie das Gesicht erkennen.
»Okay, das ist er«, sagt sie.
»Wer?«
»Das ist Will Radley.«
Sie hat ihn nur einmal gesehen, aus der Ferne, auf dem Weg zum Black Narcissus. Trotzdem erkennt sie ihn sofort, und ihr Herz schlägt schneller, als er sich dem Wagen nähert.
Es ist seltsam. Sie ist an den Umgang mit notorischen Vampiren so sehr gewöhnt, dass sie so einen Adrenalinstoß nur noch selten erlebt, aber ihr Herz rast, ob aus Angst oder aus einem ihr unbekannten Gefühl, wie ein Schnellzug in ihrer Brust.
»Ganz schön stattlich«, murmelt Geoff vor sich hin, als Will an ihrem Wagen vorbeigeht.
Will achtet kaum auf den Wagen und auch sonst nicht auf seine Umgebung, während er zielstrebig auf das Haus zusteuert.
»Sie gehen also davon aus, dass diese Frau mit ihm fertig wird?«
Alison hält die Luft an und spart sich die Mühe, Geoff zu erklären, dass das Geschlecht kaum eine Rolle spielt, wenn man die Körperkraft eines Vampirs einschätzen will. Vielleicht ist sie beunruhigt, ganz plötzlich, über ihr Arrangement. Einen Abstinenzler gegen einen regelmäßig praktizierenden Vampir antreten zu lassen ist immer eine riskante Sache, selbst wenn der
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