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Die Radleys

Titel: Die Radleys Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Haig
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nur zu nähren, den glühend schmelzenden Fels, der alles untergräbt.
    Aber ich muss …
    Ich muss …
    Ich …
    Ihre Hand gibt auf, wird schlaff, widersetzt sich den Befehlen ihres Gehirns. Das Messer fällt zu Boden.
    Er löst sich von ihrem Hals, sein Gesicht wie eine Kriegsbemalung mit ihrem Blut verschmiert. Als sein Blick nach unten auf das Messer fällt, beginnt ihr Herz wild zu schlagen, aus Wut und vor Angst, weil sie nicht nur ihn, sondern sich selbst verraten hat.
    Sie will mit ihm sprechen.
    Sie will, dass er sie verflucht.
    Das braucht sie. Ihr Blut braucht das.
    Er sieht gekränkt aus. Plötzlich sind seine Augen fünf Jahre alt und verloren und verlassen. Er weiß genau, was sie ihm antun wollte.
    »Ich bin erpresst worden. Die Polizei …«, sagt sie, verzweifelt auf eine Reaktion wartend.
    Er sagt aber nichts und verlässt das Haus.
    Helen will ihm nachgehen, weiß aber, dass sie das Chaos beseitigen muss, bevor es jemand sieht.
    Sie holt die Küchenrolle unter der Spüle hervor und reißt ein paar Tücher ab. Sie tupft damit den Boden ab, und Blut färbt das Papier und macht es schlaff. Sie schluchzt auf und die Tränen strömen ihr über das Gesicht.
    Zur gleichen Zeit kriecht Will auf Händen und Knien durch seinen Camper, verzweifelt auf der Suche nach seinem kostbarsten Besitz.
    Dem perfekten Traum jener längst vergangenen Nacht.
    Mehr als alles auf der Welt muss er von ihr kosten, so wie sie damals war. Bevor Jahre voller Lügen und Heuchelei ihren Geschmack verändert haben.
    Äußerst erleichtert entdeckt er den Schlafsack und greift danach. Aber seine Erleichterung verschwindet schnell, als er eine Hand hineingleiten lässt und nichts ertasten kann, außer der weichen Baumwollwattierung.
    Mit hektischen Bewegungen fährt er darin herum.
    Der Schuhkarton ist offen. Ein Brief liegt am Boden, der jemandem aus der Hand gefallen sein muss. Daneben ein Foto. Rowan.
    Er hebt das Foto auf und blickt in Rowans Augen. Andere Leute würden Unschuld darin entdecken, aber Will Radley weiß eigentlich nicht, wie Unschuld aussieht.
    Nein, als Will Radley in Rowans vier Jahre alte Augen blickt, sieht er nur ein verwöhntes kleines Balg, Mutterskleinen Liebling, der sein niedliches Lächeln als Waffe einsetzt, um die Liebe seiner Mutter zu gewinnen.
    Ja, du bist jetzt Mummys Liebling, na gut.
    Er lacht irre auf, aber bevor das Lachen verklingt, ist der Witz bereits sauer geworden.
    Genau in diesem Moment könnte Rowan einen Traum genießen, der ihm nicht gehört.
    Wie ein Hund kriecht Will aus dem Bus. Er rennt die Orchard Lane hinauf, an einer Straßenlaterne vorbei, ohne sich darum zu kümmern, dass ihm der Geruch von Jared Copelands Blut aus direkter Nähe in die Nase steigt. Mit einem Satz hebt er ab in die Luft und sieht, wie sein Schatten auf ein Hausdach fällt, bevor er davonfliegt in Richtung Thirsk.

[Menü]
    DAS FOX AND CROWN
    Peter sitzt im sicheren Wagen und sieht den Pärchen nach, die ins Fox and Crown strömen. Alle sind so zufrieden mit ihrem Leben. Sie füllen ihre Zeit mit netten kulturellen Ereignissen und Landspaziergängen und Jazzabenden aus. Wäre er doch nur als normaler Mensch geboren und könnte aufhören, sich nach mehr zu sehnen.
    Er weiß, dass sie da drin ist, allein an einem Tisch, und sich bereits fragt, ob er sie wohl versetzt hat, während sie mit dem Kopf zur Musik der kahl werdenden Freizeitmusiker nickt.
    Trompetenklänge dringen an sein Ohr, die ihm ein eigenartiges Gefühl verschaffen.
    Ich bin verheiratet. Ich liebe meine Frau. Ich bin verheiratet. Ich li ebe meine Frau …
    »Helen«, hatte Peter zu seiner Frau gesagt, bevor er aus dem Haus ging. »Ich gehe noch mal weg.«
    Sie schien ihm kaum zuzuhören. Sie hatte einfach mit dem Rücken zu ihm dagestanden und in die Messerschublade gestarrt. Er war ziemlich erleichtert gewesen, dass sie sich nicht umgedreht hatte, da er sein bestes Hemd trug.
    »Ja, ist gut«, hatte sie mit ziemlich abwesender Stimme gesagt.
    »Wegen dieser Sache mit der Gesundheitsbehörde, von der ich dir erzählt habe.«
    »Ach ja«, hatte sie gesagt, nach einer kurzen Pause. »Natürlich.«
    »Bis zehn bin ich wieder da, hoffentlich.«
    Dazu hatte sie nichts gesagt, und ihr fehlendes Misstrauen hatte ihn fast ein bisschen enttäuscht.
    »Lieb dich«, sagte er schuldbewusst.
    »Ja, tschüss.«
    Das »Lieb dich« war wie üblich unbeantwortet geblieben.
    Aber früher war sie in ihn vernarrt gewesen. Sie waren so verliebt, dass Clapham, damals,

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