Die Radleys
der Bibliothek. Jedenfalls hat sie mir das erzählt, also bin ich zur Bibliothek gegangen, um sie abzuholen, aber da war sie nicht, also habe ich überall gesucht, bis ich sie sah, hinter diesem großen hässlichen Wasserspeier. Und unter dem bin ich durchgerannt und sah, wie er sie gebissen und getötet und gepackt und …«
»Gebissen?«
»Er war kein Mensch, Eve. Er war etwas anderes.«
Sie schüttelt den Kopf. Immer der gleiche Albtraum. »Dad, bitte hör auf. Bitte. Du solltest diese Tabletten nicht schlucken.«
Er hat ihr die Vampirgeschichte schon früher erzählt, als er noch in der Klinik war. Später ist sie ihm immer dann rausgerutscht, wenn er total betrunken war. Undanschließend hatte er sich immer selbst widersprochen, indem er alles leugnete, in dem Glauben, sie zu beschützen.
»Sie wurde von ihrem Tutor umgebracht«, fährt er fort. »Und ihr Tutor war ein Monster. Ein Vampir. Er hat sie gebissen und ihr Blut ausgesaugt und ist mit ihr weggeflogen. Und er ist hier, Eve. Er ist hierhergekommen. Nach Bishopthorpe. Und er könnte schon tot sein, aber das muss ich noch herausfinden.«
Es hatte einen Moment gegeben, vor ein paar Sekunden, in dem sie ihm fast geglaubt hätte. Jetzt ist sie allerdings zutiefst gekränkt, weil er tatsächlich versucht, sie derartig durcheinanderzubringen.
Er legt ihr eine Hand auf den Arm. »Du musst hierbleiben, bis ich zurück bin. Hast du mich verstanden? Bleib hier im Haus.«
Eve starrt ihn an, und die Wut in ihren Augen scheint zu funktionieren, denn er erklärt ihr: »Wegen der Polizei. Sie werden ihn sich jetzt schnappen. Ich habe mit der Frau gesprochen, die mich gefeuert hat, weil ich die Wahrheit gesagt habe. Alison Glenny. Sie ist hier. Ich habe ihr alles erzählt. Weißt du, ich habe ihn heute im Pub gesehen. Den Mann, der …«
»Im Pub? Du warst heute im Pub? Ich dachte, wir wären pleite, Dad.«
Sie sagt dies ohne jegliche Schuldgefühle. Schließlich besteht Rowan darauf, dass er ihre Kinokarte heute Abend bezahlt.
»Ich habe jetzt keine Zeit für lange Erklärungen.« Er schiebt sich den letzten Löffel Knoblauch in den Mund und holt seinen Mantel. In seinen Augen liegt Wahnsinn. »Denk dran, bleib hier. Bitte, Eve. Du musst im Haus bleiben.«
Er verschwindet durch die Wohnungstür, bevor Eve antworten kann.
Sie geht ins Wohnzimmer und setzt sich. Im Fernsehen ist eine Werbung von L’Oreal mit einer Frau in diversen Altersstufen zu sehen. Mit fünfundzwanzig. Fünfunddreißig. Fünfundvierzig. Fünfundfünfzig.
Ihr Blick fällt auf das Foto auf dem Fernseher. Ihre Mutter im Alter von neununddreißig in ihrem letzten Familienurlaub. Auf Mallorca. Vor drei Jahren. Sie wünscht sich, ihre Mutter wäre hier, würde altern, wie es sich gehört, wäre nicht für immer auf Fotos konserviert.
»Darf ich heute Abend ausgehen, Mum?«, flüstert sie in einem imaginierten Gespräch.
Wo willst du denn hin?
»Ins Kino. Mit einem Jungen aus der Schule. Er hat mich eingeladen.«
Eve, heute ist Montag.
»Ich weiß, aber ich mag ihn wirklich gern. Und bis zehn bin ich wieder zu Hause. Wir nehmen den Bus.«
Wie ist er denn so?
»Er ist anders als die Jungs, die ich sonst kenne. Er ist ein netter Junge. Er schreibt Gedichte. Er würde dir gefallen.«
Also, na gut, mein Liebes. Ich wünsche dir viel Spaß.
»Den werde ich haben, Mum.«
Und wenn’s ein Problem gibt, ruf einfach an.
»Ja, das mache ich.«
Tschüss, Liebes.
»Ich liebe dich.«
Ich liebe dich auch.
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CURRYSAUCE
Der Geruch der Currysauce überwältigt Alison Glenny, die neben Geoff sitzt und ihm zusieht, wie er Pommes frites isst, die in dem Zeug schwimmen.
»Eine wirklich nette Bude haben Sie hier«, informiert er sie. Und dann bietet er ihr seine Styroporschale mit den fetten, schlaffen Pommes frites an, die in Natriumglutamat ersaufen.
»Nein, vielen Dank. Ich habe schon gegessen.«
Geoff wirft einen leicht verächtlichen Blick auf die zerknüllte Papiertüte auf dem Armaturenbrett, in der die glutenfreie Quiche eingepackt war, die sich Alison vor einer Stunde im Delikatessladen an der Hauptstraße gekauft hat.
»Wir sollen also einfach hier rumsitzen und nach Vampiren Ausschau halten«, sagt Geoff. »Das ist der Plan?«
»Ja«, sagt sie. »Wir bleiben hier sitzen.«
Geoff wirft einen entmutigten Blick auf den Campingbus, der vor Nummer siebzehn parkt. »Ich halte das immer noch für eine fixe Idee, wenn Sie nichts dagegen haben.«
»Nun, ich kann Sie nicht zwingen,
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