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Die Radleys

Titel: Die Radleys Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Haig
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Abstinenzler im Vorteil ist, weil er das Überraschungsmoment, den Vorsatz und die Polizeigewalt auf seiner Seite hat. Aber das ist es nicht, was ihr Sorgen macht, jedenfalls nicht ganz. Es ist der Blick in Helens Augen, eine Art unbeirrbare Hoffnungslosigkeit, als hätte sie eigentlich keine Kontrolle über ihre eigenen Taten und Sehnsüchte.
    Sie sehen, wie Will das Haus betritt, und warten, was weiter passiert, in einer Stille, die nur durch das näselnde Pfeifen von Geoffs Atem unterbrochen wird.

[Menü]
    IMITATION VON LEBEN
    Helen schneidet energisch Scheiben von einem Laib Vollkornbrot, um den morgigen Lunch für ihren Ehemann vorzubereiten. Sie muss einfach etwas tun, um ihre Nerven unter Kontrolle zu halten, für die unmögliche Aufgabe, die ihr bevorsteht. Sie ist so tief in Gedanken versunken, gemartert von Alison Glennys kalter, neutraler Stimme, die in ihrem Kopf wieder und wieder ertönt, dass sie gar nicht bemerkt, wie Will die Küche betritt und ihr zusieht.
    Kann sie es schaffen? Kann sie tatsächlich tun, was von ihr verlangt wird?
    »Unser täglich Vollkornbrot gib uns heute«, sagt er, als Helen eine weitere Scheibe auf den Stapel legt. »Und vergib uns unsere Sandwiches. Wie auch wir vergeben, wenn uns jemand in Scheiben …«
    Helen ist zu aufgewühlt, um sich zu beherrschen. Sie ist wütend, weil er hier ist, was ihr die Gelegenheit gibt, Alisons Befehl auszuführen. Vielleicht gibt es eine andere Lösung. Vielleicht hat Alison gelogen. »Es ist Montag, Will. Heute ist Montag.«
    »Wirklich?«, sagt er mit gespieltem Entsetzen. »Wow! Ich kann mit dem Tempo hier einfach nicht mithalten. Montag!«
    »Der Tag, an dem du gehst.«
    »Oh, in dieser Sache …«
    »Du gehst, denk dran«, sagt sie, ohne wirklichmitzubekommen, was sie sagt. Ihre Hand umklammert den Messergriff. »Du musst gehen. Es ist Montag. Du hast es versprochen.«
    »Aha, ich hab’s versprochen. Ist das nicht originell?«
    Sie will ihm in die Augen sehen, was ihr aber schwerer fällt, als sie gedacht hätte. »Bitte, Clara ist oben.«
    »Nur Clara? Deine Männer haben dich also verlassen?«
    Helen starrt auf das Messer zwischen den Scheiben, entdeckt ihr verzerrtes Gesicht auf der glänzenden Klinge. Kann sie es riskieren, obwohl ihre Tochter im Haus ist? Es muss eine andere Möglichkeit geben.
    »Rowan ist im Kino, und Peter hat einen Termin.«
    »Ich wusste gar nicht, dass Bishopthorpe ein Kino hat. Ein echtes Mini-Las Vegas, euer Dörfchen.«
    »Es ist in Thirsk.« Sie hört Will melodisch lachen.
    »Thirsk«, sagt er und zieht die Silbe in die Länge. »Ich liebe diesen Namen.«
    »Du musst gehen. Die Leute wissen über dich Bescheid. Du bringst alle in Gefahr.«
    Sie widmet sich jetzt wieder dem Brot, schneidet eine nicht benötigte Scheibe ab.
    »Also gut«, sagt Will mit falscher Betroffenheit. »Nun, ich werde gehen. Keine Sorge. Wenn du alles aufgeklärt hast, gehe ich sofort.«
    »Was? Was soll ich aufklären?«
    »Du weißt schon, das mit der Familie.«
    »Was?«
    »Die häuslichen Wahrheiten«, sagt er mit manirierter Stimme, als wäre jedes Wort aus Porzellan. »Du wirst Peter und Rowan sagen, wie die Dinge wirklich liegen. Dann verschwinde ich. Mit dir oder ohne dich. Deine Entscheidung. Was wirst du tun?«
    Er zeigt mit einem Finger auf ihren Kopf, berührt mit dem Finger ihre Stirn.
    »Oder?«
    Er deutet auf ihr Herz.
    Helen wird schwach vor Verzweiflung. Allein seine Berührung, nur dieses kleine Stückchen Haut, das sich an sie presst, kann alles wieder aufflammen lassen. Wie es sich anfühlt, mit ihm zusammen zu sein, alles zu sein, wonach er sich sehnt. Es frustriert sie nur noch mehr. »Was hast du vor?«
    »Ich rette dein Leben.«
    »Was?«
    Will ist überrascht, dass sie fragt. »Peter hatte recht. Es ist ein Spiel. Du spielst in einem Stück. Es ist Schauspielerei. Eine Imitation von Leben. Willst du die Wahrheit nicht mehr spüren, Helen? Willst du nicht mehr spüren, wie der schwere rote Vorhang fällt?«
    Seine Worte wabern in Helens Kopf herum, und sie weiß nicht, was sie tut. Sie schneidet unbeirrt weiter. Das Messer rutscht im Brot aus, und sie schneidet sich in den Finger. Er packt sie am Handgelenk. Einen Augenblick lang leistet sie nur leichten Widerstand, als er ihren Finger an seine Lippen legt und am Blut saugt. Sie schließt die Augen.
    Sein Verlangen nach ihr.
    Ihrem Konverter.
    So ein wunderbares, schreckliches Gefühl.
    Kurzfristig gibt sie nach, vergisst Clara, vergisst alles außer ihm.

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