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Die Radleys

Titel: Die Radleys Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Haig
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wieder den Job gewechselt, und diese Briefe liegen in irgendeinem Postfach an der Universität.
Ich hoffe, dass du eines Tages aufgeben kannst, was du tust, um dich niederzulassen. Es wäre nett, daran zu glauben, dass der Vater meines Sohnes irgendwann doch noch eine moralische Mitte für sich findet.
Wahrscheinlich ein dummer Wunsch. Rowan sieht dir von Tag zu Tag ähnlicher, und das macht mir Angst. Aber sein Temperament ist anders. »Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.« Ich schätze, er tut es doch, wenn er auf abschüssiges Gelände fällt. Ich bin seine Mutter und weiß, dass es meine Aufgabe ist, diesen Abhang steiler zu machen.
Also leb wohl, Will. Und sorge dafür, dass ich den letzten Funken Respekt für dich nicht auch noch verliere, indem du versuchst, mich oder ihn zu sehen. Wir haben uns etwas versprochen, und daran müssen wir uns halten, zum Wohle aller.
Ich komme mir vor, als würde ich mir einen Arm abhacken, aber es muss getan werden.
Pass auf dich auf. Du wirst mir fehlen.
Helen
    Das ist zu viel für ihn. Rowan weiß nur, dass er auslöschen will, was er gerade erfahren hat, will, dass es verschwindet, also lässt er den Brief fallen, ohne darauf zu achten, wo er landet, und nimmt die Flasche aus dem Schlafsack, um sie in seinen Rucksack zu stecken. Er stolpert aus dem Bus und die Orchard Lane hinauf.
    Jemand kommt auf ihn zu. Zunächst kann er das Gesicht nicht sehen, da es von den überhängenden Zweigen des Goldregens im Vorgarten von Haus Nummer drei verdeckt wird. Für einen Moment sind da nur ein Regenmantel, Jeans und Stiefel. Rowan weiß genau, wer das ist, aber dann sieht er das Gesicht, das Gesicht seines Vaters, und seinHerz überschlägt sich, es bebt wild, als ob jemand in seiner Brust einen Teppich ausklopfen würde.
    »Nun, Lord B«, sagt Will, die Lippen zu einem schiefen Grinsen verzogen. »Wie zum Teufel fühlst du dich heute?«
    Rowan antwortet nicht.
    »Wirklich? So gut?«, sagt Will, aber Rowan dreht sich nicht um.
    Er wäre nicht in der Lage zu sprechen, selbst wenn er wollte. Er hält den Hass in seinem Inneren fest umklammert wie eine Münze in der Faust und geht weiter zur Bushaltestelle.
    Zu Eve und der Hoffnung auf Vergessen.

[Menü]
    KNOBLAUCHCREME
    Eve hat vor, ihrem Vater zu sagen, dass sie heute Abend ausgehen wird.
    Was kann er schon tun? Sie in ihr Zimmer zerren und die Tür mit Brettern vernageln?
    Nein, sie hat vor, so zu tun, als hätte sie ihren alten, prä-psychotischen Vater wieder, der sie wie ein siebzehnjähriges menschliches Wesen und Mitglied einer freien Gesellschaft behandelt. Um ihm die Botschaft zu verkünden, geht sie in die Küche, wo er sich löffelweise irgendein Zeug in den Mund stopft. Erst als sie näher tritt und das Schild auf dem Glas lesen kann, erkennt sie, dass es Knoblauchcreme im Glas ist, was er bereits zu drei Vierteln geleert hat. Vielleicht muss er wieder in die Klinik.
    »Dad, das ist wirklich ekelhaft.«
    Er würgt, nimmt aber noch einen Löffel. »Ich gehe weg«, sagt er, bevor sie eine Chance hat, das Gleiche zu sagen.
    »Wo willst du denn hin? Wenn du verabredet bist, würde ich dir vielleicht ein Mundwasser empfehlen.«
    Er scheint nicht mitzubekommen, dass sie einen Witz gemacht hat. »Eve, ich muss dir etwas sagen.«
    Es gefällt ihr nicht, wie er das sagt, und sie fragt sich, was er ihr beichten will. »Was denn?«
    Er holt tief Luft. »Deine Mutter wurde nie vermisst.«
    Anfangs dringen die Worte nicht durch. Sie ist so daran gewöhnt, das Gefasel ihres Vaters auszublenden. EineSekunde später wird ihr dann doch bewusst, was er gesagt hat.
    »Dad, wovon redest du?«
    »Sie wurde nie vermisst, Eve.« Er nimmt ihre beiden Hände. »Sie ist tot.«
    Eve schließt die Augen, versucht, ihn auszuschließen. Der Knoblauch stinkt überwältigend. Sie entzieht ihm ihre Hände, da sie all das nicht zum ersten Mal hört. »Dad, bitte.«
    »Ich muss dir die Wahrheit sagen, Eve. Ich habe sie gesehen. Ich war da.«
    Sie geht auf ihn ein, was sie eigentlich nicht will. »Sie gesehen?«
    Er legt den Löffel beiseite und spricht im Tonfall eines ganz normalen Menschen weiter. »Sieh mal, was ich dir im Krankenhaus zu sagen versucht habe … das war kein leeres Geschwätz. Sie wurde auf dem Campus der Universität ermordet. Sie wurde auf dem Rasen vor dem Institut für Anglistik getötet. Ich habe alles gesehen. Ich bin weggerannt und habe geschrien, aber es war niemand da. Ich hatte sie abholen wollen. Sie hatte lange gearbeitet, in

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