Die Radleys
Schatten entlang der Sehne ihres Halses und stellt sich vor, wie das schmecken könnte, was darunter fließt.
Er beugt sich näher und näher zu ihr. Seine Zähne verändern sich, als er die Augen schließt, und machen sich bereit, in ihr Fleisch zu schlagen. Sie sieht, wie er sich nähert,und sie lächelt, hält ihm auch noch den Becher mit dem Popcorn hin.
»Danke, ich hab genug«, sagt er, seinen Mund bedeckend.
Er steht auf, will gehen.
»Rowan?«
»Ich muss mal«, sagt er und eilt an den leeren Sitzen in ihrer Reihe vorbei.
Jetzt im Moment weiß er, dass er sie nie mehr wiedersehen sollte. Er war so dicht davor, hatte die Kontrolle verloren.
Ich bin ein Monster. Ein Monster, mit einem Monster als Vater.
Er muss diesen intensiven Durst stillen, der in ihm steckt.
In der Männertoilette angekommen, zieht Rowan die Flasche aus der Jackentasche und reißt den Korken heraus. Sofort verschwindet der schale Gestank nach Urin, und er verliert sich in purer Lust.
Das Aroma kommt ihm äußerst exotisch und gleichzeitig zutiefst vertraut vor, obwohl er nicht weiß, woher er es kennt. Er setzt die Flasche an und trinkt. Mit geschlossenen Augen genießt er den berauschenden Geschmack. Alle Wunder dieser Erde sind auf seiner Zunge. Aber da ist auch diese seltsame Vertrautheit, wie bei der Rückkehr in eine Heimat, die er längst vergessen hat.
Erst als er absetzt, um Luft zu holen und sich den Mund abzuwischen, sieht er sich das Etikett genauer an. Statt eines Namens hat Will Die Ewige 1992 darauf geschrieben.
Allmählich dämmert ihm die Bedeutung.
Die Ewige.
Und das Jahr, in dem er geboren wurde.
Sie ist in seinem Mund und in seiner Kehle.
Die Flasche erzittert in seiner Hand, das unvermeidliche Ergebnis eines Erdbebens aus Entsetzen und Wut toben in seinem Inneren.
Er schleudert die Flasche gegen die Wand, worauf Blut an den Keramikfliesen hinabläuft und sich am Boden in einer Pfütze sammelt. Einer roten Pfütze, die wie eine herausgestreckte Zunge auf ihn zukriecht.
Bevor sie ihn erreichen kann, geht er um sie herum, knirschend zertritt er ein Stück Glas auf dem Weg zur Tür. Im Foyer ist niemand außer dem Mann im Kassenhäuschen, der Kaugummi kaut und in der Racing Times liest.
Misstrauisch sieht er Rowan an. Er muss gehört haben, wie die Flasche zerbrochen ist, lässt den Blick aber weiterwandern, um das Mobiliar zu betrachten oder wenigstens so zu tun, etwas in Rowans Blick hat ihn alarmiert.
Draußen auf den Stufen atmet Rowan langsam und tief ein und aus. Es ist ziemlich kalt. Die Luft kommt ihm trocken vor. Es herrscht eine absolute und überwältigende Stille, die er brechen muss, also schreit er in den Nachthimmel hinauf.
Ein Dreiviertelmond wird von einer dünnen Wolke verhüllt.
Sterne blinken Signale aus vergangenen Jahrtausenden.
Nach diesem Schrei rennt er die Stufen hinunter und die Straße entlang. Schneller und schneller und schneller rennt er, bis daraus etwas anderes wird und er keinen harten Boden und auch sonst nichts mehr unter seinen Füßen spürt.
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ATOM
Ice Mutants: The Rebirth III zählt nicht zu den besten Filmen, die Eve bisher gesehen hat. Der Plot handelt von Embryonen extraterrestrischer Lebensformen, die seit der letzten Eiszeit in den Polaren tiefgefroren waren und jetzt wegen der globalen Erwärmung auftauen und ausbrüten und sich in tödliche Unterwasser-Aliens verwandeln, die U-Boote zerstören, Dampfer, Tiefseetaucher und Ökokrieger, bis sie von der US Navy in Stücke gesprengt werden.
Aber nach etwa zwanzig Minuten ist die Geschichte keine Geschichte mehr, sondern eine Aneinanderreihung von immer übertriebeneren Explosionen und albernen computeranimierten Octopus-Aliens. Das hatte sie jedoch kaum gestört, denn sie hatte neben Rowan gesessen, und allmählich wurde ihr bewusst, dass sie eigentlich kaum etwas lieber mochte, als neben ihm zu sitzen. Selbst wenn sie sich dabei solchen Blödsinn ansehen musste. Zumal man der Fairness halber Rowan gegenüber sagen musste, dass kein anderer Film lief. Schließlich ist das Thirsk Palace Cinema kein Filmpalast. Aber dann hatte Rowan sie verlassen, und jetzt sitzt sie allein hier, seit – sie blickt auf die Uhr, erkennt die Uhrzeit im Licht einer weiteren Explosion eines Bootes voller Aliens – fast einer halben Stunde, und fängt an, sich zu fragen, wo er abgeblieben ist.
Sie stellt den Becher mit dem Popcorn auf den Boden und steht auf, um nachzusehen. Nachdem sie kurzfristigetwas gehemmt einige
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