Die Radleys
Herz zu rammen.
Peter war von ihren qualvollen Schreien aufgewacht und zwischen den von ihm frisch eingenässten Laken liegen geblieben. Die Männer waren dann in Peters winziges Zimmer gekommen, ohne Spieße, aber mit einem orientalischen Schwert.
Er sieht sie immer noch vor sich – der große Hagere mit der braunen Lederjacke trägt das Schwert, und der fette Schmierige hat ein »Enter-the-Dragon«-T-Shirt an.
Er erinnert sich immer noch an den absoluten Schrecken bei der Erkenntnis, dass er jetzt sterben wird, und die absolute Erleichterung, als er den Grund sah, weswegen der Hagere plötzlich vor Schmerzen aufjaulte.
Will.
Peters älterer Bruder krallt sich wie eine Fledermaus in seinen Rücken und beißt, worauf Blut über sämtliche Hendrix- und Doors-LPs spritzt, die dort am Boden liegen.
Die zweite Tötung war es eigentlich, mit der Will seine Bruderliebe bewies. Der übergewichtige Bruce-Lee-Fan hattedas Schwert seines Freundes ergriffen und bedrohte damit den Jungen, der über ihm in der Luft schwebte.
Gestikulierend versuchte Will, Peter etwas zu sagen. Er wollte ihm bedeuten, durch die Tür zu entwischen, damit sie von dort wegfliegen könnten, ohne dass Will ein Gefecht mit dem Schwert riskierte. Aber die Angst hielt Peter in den feuchten Laken fest, und er tat nichts. Er lag einfach da und sah zu, wie Will wie eine Fliege vor dem Gesicht des um sich schlagenden Samurais herumtanzte, eine hässliche Wunde am Arm abbekam und schließlich seine Reißzähne in Gesicht und Kopf des Mannes schlug.
Es war dann Will, der Peter aus dem Bett holte. Er ließ ihn über den blutüberströmten Boden tappen, über die Leichen steigen und über die schmale Gangway an Land gehen. Er befahl Peter, am Ufer auf ihn zu warten. Und das tat Peter, wobei er den Tod seiner Eltern allmählich realisierte und Tränen sein Gesicht hinabflossen.
Will steckte die Barkasse in Brand und flog sie beide fort von dort.
Es war ebenfalls Will, der etwa eine Woche später mit einer Dame der Agentur für verwaiste Vampire Kontakt aufnahm und ein neues Zuhause für sie fand. Arthur und Alice Castle. Zwei sanftmütige, Kreuzworträtsel liebende Vorstadtabstinenzler, die Will und Peter stets versicherten, sie würden sich niemals verwandeln.
Will hatte natürlich keinen allzu guten Einfluss.
Er verwendete seine Teenagerjahre darauf, seinen jüngeren Bruder zu korrumpieren, stachelte ihn an, mal abzubeißen von der französischen Austauschstudentin Chantal Feuillade, einem Mädchen, das sie im gleichen Maße hassten, wie sie für es schwärmten. Und dann waren da noch die Trips nach London zur roten Stunde. Zum Vampirpunk im Stoker Club. Zum Einkaufen in Vampirläden wie dem Bite an derKing’s Road oder dem Rouge in Soho, als die mit Abstand jüngsten Kunden. Er spielte mit seinem Bruder Schlagzeug in der Band, die sie gegründet hatten, den Haemo Goblins. (Und wurde der McCartney für seinen Lennon, als er den Text zu ihrem einzigen selbst komponierten Song dichtete. Ich koste dein Blut und denke an Cherries.) Sie trockneten ihr eigenes Blut, dann rauchten sie es und wurden umnebelt von blutroten Wolken high, bevor sie zur Schule gingen.
Will hatte wirklich keinen guten Einfluss. Aber er hatte ihm das Leben gerettet, und das musste schließlich auch irgendwas wert sein.
Unter der Dusche schließt Peter die Augen.
Er ist in der Vergangenheit.
Er sieht, wie sich die brennende Barkasse auf dem Wasser unter ihm immer weiter entfernt, während sie sich in die Lüfte erheben. Der Kahn wird kleiner und erlischt. Wie das goldene Licht der Kindheit vor der sich endlos ausbreitenden Finsternis.
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GESCHÖPF DER NACHT
Helens Sorge wächst. Morgen werden sie mit Hunden nach dem Jungen suchen. Vielleicht stellen sie ganze Suchtrupps zusammen, laufen alle Felder zwischen hier und Farley ab.
Vielleicht finden sie Blut und Spuren in der Erde. Und noch bevor das passiert, morgen früh vielleicht, werden sie die Polizei hierherschicken, um Clara zu befragen, ob sie etwas weiß. Sie werden die anderen Partygäste ebenfalls befragen, und Helen hatte aus Clara kaum herausbekommen, was die anderen wissen könnten.
Nur drei Dinge beruhigen sie ein bisschen.
Eins: Kein vernünftig denkender Mensch würde eine kleine, zierlich gebaute fünfzehn Jahre alte Veganerin, die in der Schule noch kein einziges Mal auch nur nachsitzen musste, des Mordes an einem Jungen verdächtigen, der offensichtlich doppelt so groß war wie sie.
Zwei: Sie hatte
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