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Die Radleys

Titel: Die Radleys Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Haig
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kaum schlucken.
    Als seine Eltern anfingen zu streiten, hatte er sich aufgesetzt und den letzten Rest seines Erkältungstrunks gekippt, was seinen Durst ebenso wenig löschte, wie es ihm beim Einschlafen half. Deshalb ist er jetzt unten in der Küche und schenkt sich Wasser aus der Filterkaraffe ein.
    Im Flur merkt er, dass die Terrassentüren offen stehen, und ohne sich dessen bewusst zu sein, geht er im Morgenmantel nach draußen. Die Nacht ist mild, und er hat noch keine Lust, wieder nach oben zu gehen, nicht, solange seine Eltern noch so aufeinander losgehen. Er will mit jemandem reden, sich ablenken, auch wenn Will dieser Jemand sein sollte.
    »Und was machst du so?«, fragt Rowan, als die Unterhaltung in Gang gekommen ist. »Ich meine, hast du einen Job?«
    »Ich bin Literaturprofessor. Romantik. Die Vampirdichter hauptsächlich. Wobei ich mich auch mit Wordsworth beschäftigt habe.«
    Rowan nickt beeindruckt. »An welcher Uni?«
    »Ich habe schon überall gearbeitet. Cambridge. London. Edinburgh. Ab und zu im Ausland. Ein Jahr an der Uni in Valencia. Irgendwann bin ich dann in Manchester gelandet. Da ist es sicher. Für Vampire. Es gibt da eine Art Netzwerk.«
    »Dann bist du also immer noch an der Uni?«
    Will schüttelt den Kopf. Traurigkeit überschattet seinen Blick. »Fing an, Arbeit und Vergnügen miteinander zu vermischen, hab irgendwann mit einer Studentin eine Grenze überschritten. Nach ihrem Abschluss. Sie war verheiratet. Tess hieß sie. Es ging ein bisschen zu weit. Die Universität hat die Wahrheit zwar nie erfahren, trotzdem habe ich vor zwei Jahren beschlossen, meinen Abschied zu nehmen. Ich habe einen Monat in Sibirien verbracht, um mir den Kopf freizupusten.«
    »Sibirien?«
    »Das Dezember-Festival. Ein großer Event in Sachen Kunst und Bluttrinken.«
    »Verstehe.«
    Sinnierend blicken sie in das trübe Teichwasser, die aufgebrachten Stimmen über ihnen machen weiter. Will zeigt in den Himmel, als ob sie einen Disput zwischen fernen Göttern bezeugen müssten.
    »Machen sie das immer? Oder ist das speziell für mich?«
    Rowan erklärt ihm, dass es recht selten vorkommt. »Normalerweise behalten sie es für sich.«
    »Ach ja, die Ehe.« Er lässt das Wort eine Weile in der Luft hängen und nimmt einen genussvollen Schluck von seinem Drink. »Man sagt – die Liebe ist wie Wein, und die Ehe wie Essig. Jedenfalls sage ich das immer. Wobei Wein auch nicht unbedingt mein Geschmack ist.« Er mustert Rowanvon oben bis unten. »Wie ist das mit dir: Hast du eine Freundin?«
    Rowan denkt an Eve und kann den Schmerz in seiner Stimme nicht unterdrücken. »Nein.«
    »Das ist ein Verbrechen.«
    Rowan nippt an seinem Wasser, bevor er die peinliche Wahrheit enthüllt. »Mädchen mögen mich nicht besonders. Die in der Schule finden mich ziemlich daneben. Ich bin der blasse, unausgeschlafene Junge mit dem Hautausschlag.«
    Ihm fällt ein, was ihm Eve vorhin erzählt hat, dass er ihren Namen flüstern würde, wenn er wegnickt, und zuckt innerlich zusammen.
    »Ihr beiden habt es also nicht leicht«, sagt Will, und Rowan glaubt ihm seine Besorgnis.
    »Clara kommt anscheinend besser zurecht als ich.«
    Will stöhnt verächtlich. »Schule, das kann ich dir sagen. Die ist grausam.«
    Er nippt an seinem Blut, das bei diesem Licht schwarz aussieht, und Rowan kann den Blick nicht von ihm abwenden, während er sich fragt: Sitzt er deshalb hier draußen? Für Blut?
    Er versucht, nicht darüber nachzudenken, und spricht weiter. Er erzählt Will, dass es in der Schule eigentlich gar nicht so schlimm sei (eine Lüge) und dass er bald Abitur machen wolle – in Englisch, Geschichte und Deutsch –, um dann zur Uni zu gehen.
    »Du willst studieren …«
    »Englische Literatur, hatte ich gedacht.«
    Will lächelt ihm herzlich zu. »Ich war in Cambridge. Und hab’s gehasst.«
    Anschließend erzählt er Rowan von seinem kurzen Intermezzo mit dem Midnight Bicycle Club, einer ziemlichekelhaften Clique aus wiehernden blutsüchtigen Schalträgern, die regelmäßig zusammenkamen, um sich obskure Psychedelics anzuhören, Monty Python zu rezitieren und voneinander Blut zu trinken.
    Vielleicht ist er gar nicht so übel, denkt Rowan. Vielleicht tötet er nur Leute, die es verdient haben.
    Sein Onkel scheint vorübergehend abgelenkt von etwas, das am anderen Ende des Gartens passiert. Rowan blickt zum Schuppen, kann aber nichts erkennen. Was es auch war, Will scheint nicht allzu besorgt. Er redet einfach weiter, mit seiner alterslosen

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