Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Radleys

Titel: Die Radleys Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Haig
Vom Netzwerk:
gekommen.
    »Fee-fi-fo-fum«, flüstert Will leise.
    Darauf folgt absolute Stille. Eine unnatürliche Stille. Die Stille von angespannten Gliedmaßen und angehaltenem Atem.
    Will überlegt, was er tun soll. Ob er bis zu den Koniferen weitergehen soll, um seine Neugier zu befriedigen, oder einfach ins Haus zurückkehren. Er verspürt leichten Appetit auf das saure, männliche Blut, das er riecht, kehrt aber schließlich doch einfach um und geht zurück. Wenig später hört er Schritte, die hinter ihm herrennen, und dann schwingt etwas durch die Luft. Er duckt sich, erhascht einen Blick auf die Axt, die über ihm geschwungen wird. Der Mann fällt von seinem eigenen Vorwärtsdrall beinahe um. Will greift nach ihm, packt ihn energisch an seinem Fußballtrikot. Er schüttelt ihn, sieht sein verzweifeltes Gesicht. Die Axt hält der Mann immer noch so fest umklammert, dass Will ihn damit vom Boden hochheben kann und in den Teich platschen lässt.
    Wird Zeit, die Angstmacher auszufahren.
    Er zieht den Mann aus dem Wasser und blickt in ein Gesicht voller Panik und Laichkraut. Ein Aufblitzen der Reißer, dann fragt er: »Wer sind Sie?«
    Die Antwort bleibt aus. Aber aus dem Haus kommen Geräusche, die nur Will hören kann. Er sieht, wie bei Peter und Helen das Licht angeht, und hat den Mann wiederuntergetaucht, bis das Fenster aufgeht und sein Bruder auftaucht.
    »Will? Was machst du da?«
    »Mir war nach Sushi. Nach etwas zum Beißen, was zappelt.«
    »Geh um Himmels willen aus dem Teich raus.«
    »Okay, Pete. Schlaf gut.«
    Inzwischen wehrt sich der Mann heftiger, und Will muss ihn tiefer nach unten drücken, um zu verhindern, dass man etwas plantschen sieht. Er presst ihm ein Knie in den Bauch, damit er am Teichgrund bleibt. Aber dann schließt Peter das Fenster und verschwindet wieder im Zimmer, vermutlich aus Sorge, ihre Unterhaltung könnte in den Nachbarhäusern Aufmerksamkeit wecken.
    Will zieht den Mann wieder aus dem Wasser.
    Er hustet und spuckt, fleht ihn aber nicht an.
    Will könnte ihn töten.
    Er könnte mit ihm wegfliegen und ihn kilometerweit von diesem erbärmlichen Dorf entfernt töten, wo sie niemand hören würde. Aber irgendetwas ist geschehen. Irgendetwas geschieht gerade. Genau hier, in diesem Garten, der seinem Bruder gehört und der Frau, die er liebt, hält er inne. Es gibt eine Verzögerung. Eine Lücke zum Nachdenken vor dem Handeln. Ihn beschleicht der Gedanke, dass man sich eventuell den Konsequenzen stellen muss, wenn man etwas tut. Dieser Mann ist vielleicht wegen einer Tat aus der Vergangenheit hier, wegen eines spontanen Entschlusses, den Will vor Tagen oder Monaten oder Jahren gefasst hat. Und wenn er ihn jetzt tötet, zieht das nur wieder eine Konsequenz nach sich.
    Will sehnt sich nur noch nach einer Antwort. »Wer sind Sie?«
    Diese Augen hat er schon einmal gesehen. Das Blut schongerochen. Kennt diesen Cocktail aus Angst und Hass ganz genau. Irgendetwas an diesem Wissen macht ihn schwach.
    Will lässt ihn los, ohne die Antwort abzuwarten, und der namenlose Mann weicht zurück, rückwärts durch das Wasser, dann steigt er eilig aus dem Teich. Immer noch rückwärts gehend entfernt er sich, damit er Will nicht aus den Augen verliert, eine Spur tropft auf das Pflaster bis zum Tor. Und dann ist er weg.
    Eine Sekunde später verflucht Will seine Schwäche.
    Eine Hand taucht er wieder ins kalte Wasser, um nach einem flitzenden Fisch zu tasten.
    Er packt ihn.
    Zieht ihn raus.
    Der Fisch zappelt und windet sich in der Luft.
    Will stopft sich den Fischbauch in den Mund und beißt mit seinen wieder zum Vorschein getretenen Reißzähnen ein Stück heraus. Er saugt ihm das dünne Blut aus und lässt ihn ins Wasser zurückfallen.
    Er steigt aus dem Teich und begibt sich tropfnass zu seinem Campingbus, die dümpelnde Fischleiche und die Axt lässt er zurück.

[Menü]
    SATURN
    In seinem Zimmer saß Rowan eine Weile auf der Bettkante,
     die Flasche mit dem Vampirblut in den Händen.
    Was sollte schon passieren, fragte er sich, wenn er nur
     einen Schluck probieren würde? Wenn er seine Lippen bis auf eine kleine Lücke fest
     zusammengepresst ließe, um nur einen winzigen Tropfen durchzulassen, dann würde es
     ihm doch sicher gelingen, nicht mehr davon zu trinken.
    Von dem Tumult im Garten auf der anderen Seite des Hauses
     hat er nichts mitbekommen, aber er hat die Schritte seiner Schwester gehört, als sie
     ihr Zimmer verließ. Beim ersten Laut versteckte er die Flasche blitzschnell unter
     dem

Weitere Kostenlose Bücher