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Die Radleys

Titel: Die Radleys Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Haig
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und allwissenden Stimme.
    »Anders zu sein ist nicht leicht. Davor haben die Leute Angst. Aber man kann lernen, damit umzugehen.« Er schwenkt das Blut in seinem Glas. »Ich meine, sieh dir Byron an.«
    Rowan fragt sich, ob ihm dieser Köder absichtlich hingeworfen wird, kann sich aber nicht erinnern, seinem Onkel von seiner Liebe zu Byrons Gedichten erzählt zu haben.
    »Byron?«, fragt er. »Magst du Byron?«
    Will sieht ihn an, als würde sich das von selbst verstehen. »Der beste Dichter, den es je gegeben hat. Der erste echte Weltstar. Verrückt, böse und gefährlich, ihn zu kennen. Überall auf der Welt von Männern verehrt und von Frauen begehrt. Nicht übel, für einen pummeligen, schielenden Zwerg mit Klumpfuß.«
    »Nein«, sagt Rowan unwillkürlich lächelnd. »Vermutlich nicht.«
    »In der Schule haben sie ihn natürlich immer verarscht. Erst als er mit achtzehn von einem florentinischen Vampir in einem Bordell konvertiert wurde, hat er das Ruder rumgerissen.«
    Will senkt den Blick auf seine Flasche. Er zeigt Rowan dasEtikett. ›Im Leben gibt es nichts Bessres als Trunkenheit.‹ Isobel hätte Byron geschmeckt.«
    Rowan starrt die Flasche an und spürt, wie sein Widerstand nachlässt. Allmählich vergisst er, warum es so wichtig ist, nicht nachzugeben. Schließlich ist er ein Vampir, egal, ob er Blut trinkt oder nicht. Und Clara hat jemanden getötet, obwohl sie noch nie Vampirblut getrunken hatte. Höchstens umgekehrt. Vielleicht wäre das alles gar nicht passiert, wenn sie gelegentlich welches getrunken hätte.
    Will sieht ihn unverwandt an. Ein Pokerspieler, der vorhat, sein bestes Blatt auszuspielen.
    »Wenn du fliegen willst«, sagt er, »kann sie das für dich möglich machen. Wenn es ein Mädchen gibt, in der Schule, ein bestimmtes Mädchen, musst du nur Isobel probieren und abwarten, was passiert.«
    Rowan denkt an Eve. Wie sich das angefühlt hat, neben ihr auf der Bank zu sitzen. Und da sie sowieso herausfinden wird, dass er Vampir ist, kann er auch gleich ein attraktiver und selbstsicherer Vampir sein. »Ich weiß nicht … ich bin ein bisschen …«
    »Komm schon …«, lockt Will verführerisch wie der Teufel. »Was du nicht kennst, kannst du nicht hassen. Nimm sie mit in dein Zimmer, du musst nicht jetzt gleich von ihr trinken.«
    Während er das sagt, eskalieren oben die Stimmen erneut, Peters Worte werden deutlich.
    »Was soll denn das heißen?«
    Und dann seine Mutter: »Du weißt ganz genau, was das heißen soll!«
    Rowan streckt die Hand aus und greift beinahe unwillkürlich nach der Flasche.
    Wills Augen füllen sich mit Stolz. »Da drin steckt die Welt. Sie gehört dir.«
    Rowan nickt und steht auf, plötzlich nervös und unbehaglich. »Okay, ich nehme sie mit und werde darüber nachdenken.«
    »Gute Nacht, Rowan.«
    »Ja. Gute Nacht.«

[Menü]
    PANIK UND LAICHKRAUT
    Will schlürft den letzten Tropfen Isobel aus seinem Glas und schließt die Augen. Peter und Helen haben endlich aufgehört zu streiten, und es fällt ihm jetzt erst richtig auf, wie still es hier ist. Er denkt an all die Geräusche, die ein normales Leben definieren. Das unablässige Brummen einer Autobahn. Hupen und quietschende Reifen in der Stadt. Das harte Schrammeln von Gitarren. Verführerisches Geflüster von Frauen, die er gerade erst kennengelernt hat, und, wenig später, ihre schrillen Schreie aus Lust und Angst. Das schnelle Surren der Luft, wenn er über das Meer fliegt, auf der Jagd nach einer Stelle, um Tote fallen zu lassen.
    Stille hat ihn schon immer beunruhigt. Selbst wenn er Gedichte liest, geht das nicht ohne Hintergrundgeräusche – Musik oder Verkehr oder Stimmengewirr in einer überfüllten Bar.
    Lärm ist Leben.
    Stille ist Tod.
    Aber jetzt, nur in diesem Augenblick, findet er die Stille gar nicht so schlecht. Sie kommt ihm wie ein ersehntes Ende vor, ein Ziel, ein Ort, den der Lärm erreichen will.
    Das ruhige Leben.
    Er stellt sich Helen und sich irgendwo auf einem Bauernhof mit Schweinen vor und muss über die Idee lächeln.
    Dann, als die Brise die Richtung ändert, riecht er dasBlut, das ihm vorhin schon aufgefallen ist. Und ihm fällt das Lebewesen hinter dem Schuppen wieder ein.
    Er steht von seinem Stuhl auf und geht zielstrebig am Teich vorbei, worauf der Geruch stärker wird. Das ist kein Dachs und auch keine Katze. Das ist ein Mensch.
    Als wieder ein Zweig knackt, hält Will inne.
    Angst hat er nicht, er weiß aber, wer immer sich dort hinter dem Schuppen versteckt, ist seinetwegen

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