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Die Radleys

Titel: Die Radleys Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Haig
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mit
     ihrer Familie in einem Ferienhaus in der Dordogne aufhielt. Wenn sie die heutige
     Sitzung ausfallen ließe, kurzfristig, könnte dies einen leichten Missklang oder
     Verdacht nach sich ziehen – der in der Orchard Lane geparkte Campingbus ist schon
     Missklang genug – sodass sie sich dagegen entscheidet.
    Sie macht sich also fertig und schlendert zu Nicola Baxter
     ans südliche Ende des Dorfes. Die Baxters wohnen in einer großen, ausgebauten
     Scheune mit einer geschwungenen Auffahrt und einem Garten voller Azaleen, der in ein
     anderes Zeitalter zu gehören scheint als die Inneneinrichtung mit ihrer
     rustikal-futuristischen Küche und den kubistischen Sofas ohne Armlehnen.
    Als Helen eintrifft, sitzen bereits alle da und essen
     Haferplätzchen und trinken Kaffee, die aufgeschlagenen Bücher im Schoß. Sie
     unterhalten sich angeregter als üblich, und wie Helen zu ihrer Verblüffung bald
     feststellt, dreht sich das Gespräch nicht um Wenn
     der letzte Spatz singt.
    »Ach, Helen, ist das nicht entsetzlich?«, fragt Nicola undstreckt ihr einen gigantischen, mit Krümeln übersäten Teller
     mit einem einsamen Haferplätzchen entgegen. »Diese Sache mit Stuart Harper.«
    »Ja. Ja, schrecklich. Ganz entsetzlich.«
    Helen mag Nicola eigentlich recht gern, und normalerweise
     sind sie in Bezug auf die Bücher, die sie lesen, stets einer Meinung. Sie war die
     Einzige, die Helen beipflichtete, dass Anna Karenina ihre Gefühle für den Grafen
     Vronski nicht unter Kontrolle hat und Madame Bovary im Grunde eine sympathische Frau
     ist.
    Sie hat etwas an sich, wovon sich Helen stets angezogen
     fühlt, als hätte auch sie sich von einem Teil ihres Ichs verabschiedet, um ihr
     jetziges Leben zu leben.
    Manchmal entdeckt Helen an Nicola mit ihrer blassen Haut
     und dem unsicheren Lächeln und den traurigen Augen sogar so viel von sich selbst,
     dass sie sich fragt, ob sie vielleicht das gleiche Geheimnis teilen. Sind die Baxters ebenfalls abstinente
     Vampire?
    Natürlich hat Helen diese Frage noch nie direkt gestellt.
     (»Und, Nicola, hast du schon mal jemandem in den Hals gebissen und ihm das Blut
     ausgesaugt, bis sein Herz aufgehört hat zu schlagen? Übrigens, deine Haferplätzchen
     sind köstlich.«) Und Nicolas Kinder hat sie auch noch nicht kennengelernt, zwei
     Mädchen, die ein Internat in New York besuchen, oder ihren Ehemann, einen
     Architekten, der angeblich ständig in irgendwelchen hochwichtigen
     Gemeindeausschüssen sitzt und in Liverpool oder London zu tun hat. Aber über einen
     langen Zeitraum hatte Helen gehofft, dass sich Nicola eines Tages zu ihr setzen und
     ihr erzählen würde, wie sie seit zwanzig Jahren gegen ihre Blutsucht ankämpft, die
     ihr jeden Tag ihres Lebens zur Hölle macht.
    Helen wusste, dass dies vermutlich nicht mehr als eine
     tröstliche Fantasie war. Schließlich bildeten Vampire selbstin
     der Großstadt nur eine winzige Minderheit der Bevölkerung, und die
     Wahrscheinlichkeit, dass in ihrem Lesekreis einer saß, war äußerst gering. Aber es
     war nett gewesen, daran zu glauben, dass es möglich sein könnte, und deshalb hatte
     sie sich vermutlich in Gedanken daran festgehalten wie an einem Lotterielos.
    Da Nicola wegen des verschwundenen Jungen jedoch genauso
     schockiert reagiert wie alle anderen, weiß Helen, dass sie auf sich gestellt ist.
    »Ja«, sagt Alice Gummer auf einem der futuristischen Sofas
     gerade, »es kam in den Nachrichten. Hast du es gesehen?«
    »Nein«, sagt Helen.
    »Sie haben es heute Morgen gebracht. Auf Look North . Ich hab’s beim Frühstück
     teilweise mitgekriegt.«
    »Ach ja?«, sagt Helen. Die Radleys hatten beim Frühstück
     wie üblich den Fernseher nebenbei laufen lassen, und da war nichts erwähnt worden.
    Dann sagt Lucy Bryant etwas, aber sie hat den Mund so voll
     mit Haferkeksen, dass Helen sie erst nicht versteht. Irgendwas über einen
     Polizisten? Einen Polizisten?
    »Wie bitte?«
    Nicola hilft aus, übersetzt an Lucys Stelle, und diesmal
     hätten die Worte nicht deutlicher sein können.
    »Sie haben seine Leiche gefunden.«
    Die Panik, die Helen in diesem Moment überkommt, kann sie
     nicht verbergen. Sie überfällt sie so plötzlich und von allen Seiten und zerstört
     jede Hoffnung. »Was?«
    Jemand antwortet. Sie hat keine Ahnung, zu wem die Stimme
     gehört. Sie ist einfach da, wirbelt ihr durch den Kopf wie eine Plastiktüte im Wind.
    »Ja, offensichtlich ist sie vom Meer ans Ufer gespült
     worden oder so. In

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