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Die Radleys

Titel: Die Radleys Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Haig
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zuglitt,fiel ihm der Mann an ihrer Seite auf. Er trug einen Lorbeerkranz auf dem Kopf und war wie ein Renaissanceprinz gekleidet. Er flüsterte Helen unverständliche Worte ins Ohr, worauf sie lächelte. Erst als der Mann aufstand, erkannte er, dass es Peter war.
    Peter brachte einen Becher mit einer goldenen Gabel zum Klingen. Alle, sogar die Affen, erstarrten, um zuzuhören. »Ich danke, ich danke, meine Lords, Fürsten, Pygmäen, Zwerge, einarmige Gaukler, Primaten, Damen und Herren. Ich bin sehr erfreut, dass Sie alle kommen konnten, an diesem besonderen Tag. Mein Leben ist nunmehr komplett, mit meiner Braut Helen an meiner Seite …« Helen betrachtete das Flamingofleisch auf ihrem Teller und lächelte mit schüchterner Eleganz. »… und nur eins bleibt mir noch zu tun, um unser besonderes Band zu besiegeln.« Und Will sah entsetzt zu, wie Peter den Rollkragen ihres Pullovers herunterschob, um sie zu beißen. Sein Entsetzen wurde größer, als er mit ansehen musste, wie Helen voller Wonne keuchte.
    Will hatte Hochzeiten nie leiden können, aber noch keine hatte ihn derart mitgenommen. Als Peter Helens Weinbecher über ihren Hals goss, erkannte Will, dass es gar kein Wein war, sondern Peters Blut. Im Sturzflug schoss er vor, schrie »Nein«, während die Affen aufsprangen und ihn in Schwärze erstickten. Als er in kaltem Schweiß gebadet aufwachte, wurde ihm klar, dass das Unmögliche eingetreten war.
    Will Radley war etwas passiert, was aus jedem verrückten und grässlichen Blickwinkel aussah wie Liebe.
    Zwei Wochen vor der tatsächlichen Hochzeit kehrte er nach London zurück und übernachtete in einem Campingbus, den er einem weißen Rastafari in Camden gestohlen hatte. Er war eines Nachts durch die Gegend gestreift, wohlwissend, dass sein Bruder nicht zu Hause war, und hatte sich nicht beherrschen können.
    »Helen, ich liebe dich.«
    Sie hatte sich von den Nachrichten im Fernsehen abgewandt – noch mehr Kämpfe in Jugoslawien –, um ihn von ihrem Schaukelstuhl vom Flohmarkt aus anzusehen. »Wie bitte?«
    Er erwiderte ihren Blick, ohne ein Lächeln, und konzentrierte sich intensiv auf ihr Blut.
    »Ich weiß, dass ich das nicht sagen sollte, denn Peter ist schließlich mein Bruder, aber ich bete dich an.«
    »Ach Will, mach dich nicht lächerlich.«
    »Lach über mich, wenn du willst, aber ich meine jedes einzelne Wort so, wie ich es sage. Wenn ich dich ansehe, deine Stimme höre oder dein Duft in meine Nase steigt, will ich dich in die Arme nehmen und mit dir weit, weit wegfliegen.«
    »Will, bitte«, sagte sie. Sie war eindeutig nicht an ihm interessiert. »Peter ist dein Bruder.«
    Er nickte nicht und schüttelte auch nicht den Kopf. Er verhielt sich so still, wie er konnte, während er dafür sorgte, dass sich ihre Blicke nicht voneinander lösten. Von draußen hörte man, wie sich eine an- und abschwellende Polizeisirene die Clapham Highstreet hochjaulte.
    »Du hast recht, Helen. Die meisten tiefen Wahrheiten sind unschicklich. Aber auch wenn sich das brutal anhört, was soll die ganze Scheiße ohne Wahrheit? Könntest du mir das bitte sagen?«
    »Peter kann jede Minute nach Hause kommen. Du musst aufhören, so zu reden.«
    »Ich würde aufhören, Helen. Natürlich würde ich aufhören. Wenn ich nicht ganz genau wüsste, dass du exakt das Gleiche empfindest.«
    Sie legte sich eine Hand vor die Augen und unterbrach den Blickkontakt.
    »Will …«
    »Du weißt, dass du von mir konvertiert werden willst, Helen.«
    »Wie kannst du so was tun? Deinem Bruder das antun?«
    »Ich finde, das geht ganz leicht.«
    Sie stand auf und verließ das Zimmer. Er folgte ihr bis in den Flur, wo all ihre Mäntel wie zugekehrte Rücken in einer Reihe hingen. Er setzte sein ganzes Blutdenken auf sie an.
    »Du weißt, dass du nicht willst, dass es Peter ist. Das weißt du. Komm schon, Helen, sei stark. Du hast nur ein Leben. Du solltest kosten, was du kosten willst. Wenn du noch zwei Wochen länger wartest, ist alles vorbei, und du wirst ihm gehören, und wir haben keine Chance mehr, Helen. Dann hast du’s verpatzt. Und ich werde dich beinahe so sehr hassen, wie du dich selbst hassen wirst.«
    Sie war verwirrt. Sie hatte keine Ahnung, dass er gar nicht mit ihr redete, sondern mit ihrem Blut. »Aber ich liebe Peter …«
    »Morgen hat er Nachtschicht. Wir könnten zusammen nach Paris fliegen. Wir könnten richtig einen draufmachen. Du und ich, wir kreisen zusammen hoch über dem Eiffelturm.«
    »Will, bitte …«
    Sie war an

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