Die Radleys
nichts als die Wahrheit, und hoffen, dass er ihr den Gedanken an eine freiwillige Konvertierung nahebringen könne.
»Das soll wohl ein Witz sein«, hatte Will gesagt.
»Nein, gar nicht. Ich glaube, ich liebe sie.«
»Aber konvertieren ? Das geht einen Schritt zu weit, Pete.«
»Ich weiß, aber ich glaube wirklich, dass sie die Frau meines Lebens ist.«
» Zut alors. Du meinst es ernst, nicht wahr?«
»Genau.«
Will pfiff, lang und bedächtig. »Also, dann kannst du dich begraben lassen.«
Für Will war Konvertierung immer eine hypothetischeMöglichkeit gewesen. Sie gehörte zu den Dingen, von denen er wusste, dass sie physisch möglich waren, und es musste in der Tat einige Konvertierungen gegeben haben, wenn man bedachte, wie rapide die Zahl von erwachsenen Vampiren anstieg. Aber warum um alles in der Welt irgendjemand so was wollen sollte, blieb ihm ein Rätsel.
Schließlich hatte eine Konvertierung für den Konverter wie für den Konvertierten ernsthafte Konsequenzen. Wenn man sich selbst so schnell und so stark bluten ließ, nachdem man das Blut eines anderen getrunken hatte, schwächte man sich emotional und stellte zu dem anderen eine so starke Bindung her, dass man selbst fast genauso stark an den anderen gefesselt war wie umgekehrt.
»Warum zur Hölle sollte ich mir das antun wollen?«, hatte Will jedes Mal geantwortet, wenn er gefragt wurde, ob er so etwas erwägen würde.
Aber was soll’s, wenn Peter es wollte, war das seine Sache, und Will als Freigeist würde ihm nicht im Weg stehen und ihn auch nicht verurteilen. Trotzdem war er gespannt auf die Person, die es geschafft hatte, das Herz eines vollblütigen Radleys zu gewinnen.
Er erinnert sich genau, was er empfunden hat, als er sie zum ersten Mal sah.
Absolut nichts.
Zuerst.
Sie war nicht mehr als eine attraktive Unblutige in einer Welt voller attraktiver Unblutiger. Im Laufe des ersten Abends wurde ihm dann bewusst, wie unglaublich sexy sie war – ihre Augen, der zarte Schwung ihrer Nase, der nüchterne Tonfall, in dem sie über die menschliche Anatomie und diverse medizinische Prozesse redete (»und dann muss die richtige Lungenarterie durchtrennt werden …«).
Sie mochte Kunst. Sie besuchte dienstags einen Kurs inAktzeichnen und hatte einen exklusiven Geschmack. Sie liebte Matisse und Edward Hopper genauso wie die alten Meister aus der Renaissance. Sie liebte Veronese, obwohl sie anscheinend keine Ahnung hatte, dass er einer der verruchtesten Vampire Venedigs gewesen war, die jemals eine Gondel mit Blut besudelt hatten.
Und dann unterhielten sie sich über Blutegel. Sie wusste eine Menge über Blutegel.
»Blutegel werden sehr unterschätzt«, sagte Helen.
»Das sehe ich auch so.«
»Ein Blutegel ist ein interessantes Tier.«
»Da bin ich mir sicher.«
»Offiziell gehören sie zu den Ringelwürmern. Wie Erdwürmer. Aber sie sind deutlich weiter entwickelt. Blutegel haben vierunddreißig Gehirne, können Gewitter vorhersagen und haben schon bei den Azteken in der Medizin Verwendung gefunden.«
»Du kennst dich mit Blutegeln wirklich gut aus.«
»Ich habe meine Abschlussarbeit über Blutegel geschrieben. Wie man sie einsetzen kann, um Osteoarthritis zu lindern. Der Ansatz ist immer noch ziemlich umstritten.«
»Da gibt es noch eine andere Heilmethode bei Gelenkschmerzen«, hatte Will eingeworfen, bis Peter ihn zur Raison gehustet hatte.
Sie gewann im Blackjack jedes Spiel, das sie an dem Abend spielten, weil sie wusste, wann sie aussteigen musste. Und wurde auch nicht durch ihren eigenen Geruch abgelenkt, weshalb Will und Peter eindeutig im Nachteil waren. Sie roch so reichhaltig, so viele Duftnuancen steckten in ihrem Blut, dass die beiden am liebsten einfach nur stundenlang dagesessen hätten, um das alles zu erkunden.
Helens spätere Version dieses Abends würde lauten, dass Will nur deshalb scharf auf sie war, weil sie sich für seinenBruder interessierte. Aber Will erinnert sich, dass er verzweifelt versucht hatte, sie nicht zu mögen. Er hatte nie mehr für eine Frau empfinden wollen als das Verlangen, seinen Durst zu stillen. »Gefühle sind für mich bloß tosende Stromschnellen auf dem direkten Weg zum Wasserfall der Konvertierung«, hatte er in sein Tagebuch geschrieben. »Ich bleibe lieber in den seichten Tümpeln des leichten Genusses.«
Er hatte gewollt, dass sich Peter von Helen trennt und sie sie beide vergessen. Aber Peter und Helen waren einander total verfallen. Sie waren so glücklich, und Will konnte
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