Die Radleys
folgt. Sie überlegt, ob sie die Tür öffnen soll, da sie weiß, dass Will niemals abschließt, kommt aber nicht mehr dazu.
»Nun, Mrs. Radley, das ist ein seltsamer Ort, um eine Waschmaschine abzustellen.«
Helen ringt sich ein Lächeln ab. »Nein, es ist … mein Schwager ist Rechtsanwalt. Er könnte mir rechtlichen Beistand geben.« Ihr Blick fällt auf den Campingbus, und es wird ihr bewusst, dass es kaum ein Gefährt gibt, das weniger zu einem Vertreter des Anwaltsberufes passen würde. »Ich meine, er hat Jura studiert. Er war … auf Reisen.«
Alison muss beinahe lächeln, Helen sieht es. »Ein Rechtsanwalt. Das ist interessant.«
»Ja. Ich würde mich wohler fühlen, wenn er bei unserem Gespräch dabei wäre.«
»Ich wette, das würden Sie. Aber er sitzt im Pub.«
Das wirft Helen um. »Im Pub? Woher wissen …«
»Ich kenne Ihren Schwager«, sagt Alison, »und soweit mir bekannt ist, hat er nie Jura studiert.«
»Hören Sie …« sagt Helen und blickt die Orchard Lane hinauf. Wie bei einem endlosen Zebrastreifen werfen die Schatten der Baumstämme Streifen auf den Asphalt. »Hören Sie … hören Sie …«
»Und wir wissen über sein Blutdenken Bescheid, Mrs. Radley.«
»Was?« Helen wird schwindelig.
Alison kommt näher und senkt ihre Stimme in Ton und Lautstärke. »Ich weiß, dass Sie sich Mühe geben, ein guter Mensch zu sein, Mrs. Radley. Ich weiß, dass Sie die Grenze schon sehr lange nicht mehr überschritten haben. Sie machen sich Sorgen um Ihre Familie, das verstehe ich. Aber Ihre Tochter hat jemanden umgebracht.«
Helens Angst verwandelt sich in Wut. Einen Moment lang vergisst sie, wer sie ist und mit wem sie redet. »Es war nicht ihre Schuld. Sie konnte nichts dafür. Der Junge, er hat sie bedrängt. Er hat sie angegriffen und sie wusste gar nicht, was sie tat.«
»Es tut mir leid, Helen, aber ich bin mir sicher, dass Sie davon gehört haben, was berüchtigten Vampiren früher zugestoßen ist.«
Wieder stellt sich Helen ihre Tochter mit dem Pfeil einer Armbrust im Herzen vor.
Alison redet weiter. »Aber wir haben Fortschritte gemacht, seit den Achtziger- und Neunzigerjahren. Wir haben intelligentere Methoden entwickelt. Wenn Sie das Leben Ihrer Tochter retten wollen, können Sie das tun. Ich leite dieUnnamed Predator Unit. Und das bedeutet, dass ich die Aufgabe habe, nach Lösungen zu suchen, zusammen mit der Vereinigung, mit der ich verhandele.«
Die Vereinigung. Helen wird bewusst, dass sie sich in Alisons Augen von all den anderen Blutsaugern in England nicht unterscheidet. »Sie verhandeln?«
»Ich will nicht herunterspielen, was Ihre Tochter diesem Jungen angetan hat, aber um ganz ehrlich zu sein, Mrs. Radley: Meine Arbeit hängt zu einem großen Teil von Statistiken ab. Vampire, die einmal im Leben jemanden umbringen, sind nicht so gefährlich wie solche, die zweimal pro Woche töten. Ich weiß, für einen Vampir hört sich das vielleicht ein bisschen zweckmäßig und unpoetisch an, aber ethisch gesehen befinden wir uns in einer kniffligen Situation, und wenn man es auf die simplen Zahlen reduziert, wird die Sache einfacher. Und es gibt eine Möglichkeit, wie Sie aus dem einen Mord Ihrer Tochter eine Null machen können. In den Augen der Polizei jedenfalls.«
Helen ahnt, dass ihr hier eine Art Seil zugeworfen wird, fragt sich aber, was Alison im Sinn hat. »Hören Sie, mir geht es nur um Clara. Ich tue alles, um sie zu schützen. Meine Familie bedeutet mir alles.«
Alison mustert sie eine Weile, während sie über etwas nachdenkt. »Nun, um bei dem Zahlenspiel zu bleiben, es gibt einen Vampir, den wir wirklich gern aus dem Weg räumen würden. Hier wie in Manchester. Er ist ein Monster. Er ist ein Serienmörder, dessen Opfer in die Hunderte gehen, wenn nicht gar in die Tausende.«
Helen sieht allmählich, worauf das hinausläuft. »Was soll ich für Sie tun?«
»Nun, wenn Sie sicherstellen wollen, dass Stuart Harper für immer eine vermisste Person bleiben wird, haben Sie nur eine einzige echte Option.«
»Und die wäre?«
»Wir wollen, dass Sie Will Radley töten.« Helen schließt die Augen und hört sich in der rot getönten Dunkelheit den Rest von Alisons gedämpftem Vorschlag an. »Solange Ihre Tochter abstinent bleibt, ist sie in Sicherheit. Aber wir brauchen den unwiderlegbaren physischen Beweis, dass Ihr Schwager tot ist.«
Helen versucht, klar zu denken. »Warum ich? Ich meine, kann das nicht jemand anderes erledigen? Kann Peter mir nicht helfen?«
Alison
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