Die Radleys
schüttelt den Kopf. »Nein. Und Sie dürfen ihn nicht mit hineinziehen. Wir wollen nicht, dass Sie irgendjemandem von dieser Sache erzählen. Das hat wieder mit den Zahlen zu tun, Mrs. Radley. Eins ist sicherer als zwei. Wenn Sie Ihrem Ehemann etwas sagen, wird das ernsthafte Konsequenzen haben. Wir können nicht zulassen, dass ein Bruder den anderen umbringt.«
»Sie verstehen das nicht. Es geht …«
Alison nickt mit dem Kopf. »Ach, und noch eine Kleinigkeit. Wir wissen von Ihrer Beziehung zu Will Radley.«
»Was?«
Alison nickt. »Wir wissen, dass Sie mal ›was mit ihm hatten‹. Und Ihr Ehemann wird auch davon erfahren, wenn Sie nicht auf unseren Vorschlag eingehen.«
Helen fühlt sich nackt vor Scham. »Nein.«
»Das ist der Deal, Mrs. Radley. Und wir werden die ganze Zeit Leute in Ihrer Nähe postieren. Jeder Versuch, unsere Regeln zu beugen oder einen anderen Ausweg aus dieser Sache zu finden, wird danebengehen, das versichere ich Ihnen.«
»Wann? Ich meine, wann soll ich …«
Helen hört ein langsames Einatmen. »Sie haben bis Mitternacht Zeit.«
Mitternacht.
»Heute Nacht?«
Als Helen die Augen wieder aufschlägt, entfernt sich Chief Superintendent Alison Glenny bereits, tritt in den Schatten und wieder hinaus, als sie die Orchard Lane entlanggeht. Helen sieht zu, wie sie in ein Auto steigt, in dem ein übergewichtiger Mann auf dem Beifahrersitz auf sie wartet. Unübersetzbare Warnungen liegen in der Luft. Helen betrachtet den Campingbus, in dem sich ihr Leben vor all den Jahren geändert hat. Es ist, als stünde sie an einem Grab, ohne genau zu wissen, um wen oder was sie trauert.
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BEHERRSCHUNG LIEGT UNS IM BLUT
Als Eve ihr auf der Heimfahrt im Bus erzählt, dass sie beschlossen hat, mit Rowan auszugehen, weiß Clara nicht, was sie sagen soll. Und ihre Freundin ist offensichtlich verwirrt wegen ihres sonderbaren Schweigens, denn bisher hat Clara für ihren Bruder immer ein gutes Wort eingelegt.
»Komm schon, Raddles, ich dachte, du wolltest, dass ich ihm eine Chance gebe«, sagt Eve, wobei sie sie eindringlich ansieht.
Eine Chance. Eine Chance wofür?
»Stimmt«, sagt Clara, die aus dem Fenster starrt, als sie an wogenden, grünen Feldern vorbeifahren. »Das wollte ich, aber …«
»Aber was?«
Der honigsüße Duft ihres Blutes steigt Clara in die Nase. Sie kann ihm widerstehen, vielleicht schafft Rowan das auch. »Ach nichts. Vergiss es.«
»Okay«, sagt Eve, die sich langsam damit abfindet, dass sich Clara immer seltsamer benimmt. »Ist schon vergessen.«
Später, als sie von der Bushaltestelle nach Hause laufen, erklärt Clara ihrem Bruder, dass sie das Ganze für einen Fehler hält.
»Ich komme schon klar. Ich werde Will bitten, mir mehr Blut zu geben, bevor ich losgehe. Ich werde es mitnehmen. In meiner Tasche. Wenn ich Gelüste kriege, nehme ich einfach einen Schluck. Wird schon schiefgehen. Vertrau mir.«
Fantasy World.
»Hier kommt die Sonne.«
Nichtssagende Schaufensterpuppen mit Disco-Perücken.
The Hungry Gannet. Fleischauslagen in der Kühltheke.
Claras Magen rumort.
»Was, du hast die ganze Flasche ausgetrunken, die er dir gegeben hat?«, fragt sie ihren Bruder.
»Es war keine ganze Flasche. Was willst du mir eigentlich sagen?«
»Ich will dir sagen, dass Will heute abreist. Er verlässt uns. Für immer. Und seine Flaschen mit Blut nimmt er mit. Und wir bleiben mit diesen Gelüsten und ohne Blut zurück. Was sollen wir machen?«
»Wir werden uns beherrschen, wie wir es immer gemacht haben.«
»Aber jetzt ist alles anders. Wir wissen, wie es ist. Wir können nichts ungeschehen machen. Es ist, als ob man die Entdeckung des Feuers rückgängig machen wollte.«
Rowan denkt darüber nach, als sie an der Praxis ihres Vaters vorbeigehen. »Wir könnten uns einfach mit Vampirblut begnügen. Irgendwie muss man da drankommen. Und ethisch gesehen ist das wahrscheinlich besser als Schweinefleisch. Man muss dafür gar nicht töten.«
»Aber was ist, wenn es nicht reicht? Wenn wir Lust auf jemanden kriegen und … ich meine, was ist, wenn du heute Abend mit Eve …«
Clara geht Rowan auf die Nerven. »Ich werde mich beherrschen. Sieh dich doch um, verdammt noch mal. Sieh dir die Leute an. Jeder unterdrückt jeden. Glaubst du, irgendeiner von diesen ›normalen‹ menschlichen Wesen tut immer genau das, was er will? Natürlich nicht. Das ist das Gleiche. Wir gehören zur Mittelklasse und wir sind Briten. Beherrschung liegt uns im Blut.«
»Na, ich weiß nicht, ob
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