Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)
Stückchen, weil sie dachte, er
sei so leichter zu verdauen. Es waren diese kleinen, aber wichtigen Dinge, für
die ich sie so mochte. Haven war nicht einfach nur mitgekommen, sie war
entschlossen, mir in jeder nur möglichen Weise zu helfen, als Teil unseres
Zweierteams.
Wir kamen großartig miteinander aus, mit einer Ausnahme. Gehen. Ich
weiß, das klingt verrückt, aber eine der ersten Regeln, die ich lernte, als ich
in den Spitzenradsport einstieg, lautete: Wenn du stehst,
setz dich hin; wenn du sitzt, leg dich hin; und meide Treppen wie die Pest. Der Radrennsport ist der einzige Sport in der Welt, bei dem man, je besser man
wird, immer mehr einem gebrechlichen alten Mann gleicht. Ich bin mir der
physiologischen Gründe dafür nicht sicher, aber Tatsache war: Längeres Gehen
und Stehen erschöpften mich, verursachten Gelenkschmerzen und warfen mich im
Training zurück. (Der fünfmalige Tour-Sieger Bernard Hinault hasste Treppen so
sehr, dass er sich bei manchen Tour-Veranstaltungen von seinen Masseuren und
Betreuern lieber ins Hotel tragen ließ, statt zu Fuß zu gehen.) Wenn Haven also
einen Sonntagmorgenspaziergang am Strand, eine Wanderung in den nahen Bergen
oder einen Gang zum Laden an der Ecke vorschlug, erhielt sie meist einen Korb. Tut mir leid, Schatz, ich muss mich ausruhen.
Allerdings hielten mich andere Besorgungen für den Haushalt auf
Trab, und viele davon hatten mit Edgar zu tun. Zunächst einmal musste ich das
Zeug beschaffen, was mittlerweile komplizierter war, weil das Team bei Rennen
kein EPO mehr dabeihatte. Das führte zum Kauf des
ersten meiner zahlreichen Geheimtelefone – Prepaid-Handys. Mit dem
Geheimtelefon rief ich del Moral oder seinen Assistenten Pepe Martí an und
meldete Bedarf an »Vitaminen« oder »Allergie-Medikamenten« oder
»Eisentabletten«, je nach aktuellem Codewort. Dann fuhr ich zu einem mit Pepe
vereinbarten Treffpunkt und holte einen Vorrat an roten Pillen und EPO aus Dr. del Morals Klinik ab. Normalerweise kaufte
ich Stoff für etwa 20 Injektionen, was rund zwei Monate lang reichte. Den
Transport bewerkstelligte ich mit einer Kunststoff-Kühltasche mit einigen
Kühlelementen, und del Moral legte ein gefälschtes Rezept für Haven bei – üblicherweise stand da irgendetwas über menstruationsbedingten Blutverlust –,
für den unwahrscheinlichen Fall, dass ich von der Polizei angehalten und
kontrolliert wurde, was Gott sei Dank nie passierte.
Im Unterschied zu Lance traute ich mich nicht, weiße Schachteln mit AMGEN - oder EPREX -Etikett
neben meine Diät-Cola zu legen. Also dachte ich mir ein System aus. Zunächst
weichte ich die Außenverpackung in Wasser ein, bis die Aufschrift unleserlich
war, dann zerriss ich sie in winzige Stückchen und spülte sie in die Toilette.
Daraufhin kratzte ich mit dem Daumennagel die Klebeetiketten von den EPO -Glasfläschchen, die damals knapp vier Zentimeter lang
und etwa zwölf Millimeter breit waren, und entsorgte auch diese Fetzen über die
Klospülung. Schließlich wickelte ich das ganze Material in Alufolie und schob
das kleine Päckchen im Kühlschrank ganz nach hinten, versteckt hinter einem
Haufen Gemüse. Später kaufte ich mir, in aller Raffinesse, eine
Limodosen-Attrappe mit abschraubbarem Geheimfach, wie man sie auf der Rückseite
eines Comic-Heftchens bestellen kann. Andererseits fürchtete ich, jemand könnte
die Dose vielleicht für echt halten und versuchen, sie auszutrinken. Alufolie
erwies sich als am besten geeignet, weil niemand kleine, zerknitterte Päckchen
auswickeln will, die nach Essensresten aussehen. Das System funktionierte gut,
bis auf einen Nachteil: Die zusammengeknüllten Etiketten waren klebrig und
landeten immer wieder in meinen Hemd- oder Hosentaschen. Wenn ich beim
Abendessen außer Haus oder im Lebensmittelladen die Hand aus der Tasche nahm,
klebte dann manchmal ein EPO -Etikett an meiner
Hand. Hoppla!
Das war meist schon alles. Keine große Drogenauswahl. Nur Edgar und
Testosteron (Andriol). In der Trainingsphase reichte eine rote Andriol-Pille
pro Woche oder alle zwei Wochen meist aus. Wenn man einen kleineren Schub
brauchte, konnte man so eine Pille auch mit einer Sicherheitsnadel anbohren,
etwas Öl auf die Zunge drücken und den Rest für später aufbewahren. Ferrari
entwickelte eine Methode, bei der Andriol mit Olivenöl vermischt wurde. Er
füllte die Mischung in eine dunkle Glasflasche mit einer Pipette, für kleine
Dosierungen. Ich erinnere mich daran, wie ich einmal bei einem
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