Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)
waren, dass sie in mehrere Richtungen gleichzeitig zu sehen schien.
Die Hand der Frau zuckte in einer schnellen Bewegung hoch. Paolina erhob lauthals Protest, doch im gleichen Augenblick sagte Hethor einige leise Worte, die sie aufgrund ihres eigenen Widerspruchs nicht hören konnte. Was immer auch die Fremde zu erreichen hoffte, schien nicht zu geschehen, denn sie sah zuerst ratlos und dann sehr enttäuscht aus.
»Tritt ruhig näher«, sagte Hethor zu ihr. »Wir sind unter Freunden.« Er ließ diesen Worten etwas in einer zischenden Sprache folgen, die nichts mit der Sprache des vergessenen Volks gemeinsam hatte.
Die Frau antwortete in derselben Sprache. Ihre schwarzen Augen blitzten kurz auf, dann näherte sie sich Paolina. Hethor fügte noch etwas in der zischenden Sprache hinzu. Die Fremde wirkte sehr überraschte und richtete ihre Aufmerksamkeit auf ihn. Ihre nächsten Worte sprach sie auf Englisch: »Welches ist Euer Haus?«
»Ich bin nicht Teil eines Hauses, wie es bei Euch üblich ist«, antwortete Hethor. »Es entspricht in meinem Volk nicht der Tradition.«
»Ich entstamme keinem Haus außer dem meinen«, erklärte Paolina.
»Ich bin Gashansunu aus dem Haus des Westens, aus der Stadt«, erklärte sie ihnen. »Wir erfassen alles Wissen der Südlichen Hemisphäre, vom Wesen des Großen Sonnenuntergangssees bis hin zu den Farben des Morgenhimmels. Ihr habt die Schweigende Welt betreten, seid ihr aber fremd.«
Ihr Volk schien sich eindeutig für mächtige Zauberer zu halten.
Hethor antwortete für beide. »Wir entstammen der Nördlichen Hemisphäre, wo ein anderes Wissen herrscht. Wenn Ihr als Freund zu uns kommt, so sind wir Freunde. Wenn Ihr es nicht seid, dann bitte ich Euch im Guten, Eures Weges zu gehen, und das schnell.«
Gashansunu überdachte ihre Worte, bevor sie antwortete. »Die Schattenwelt ist mit Bedauern erfüllt. Feuer lodern in der Schweigenden Welt auf. Ihr tragt einen leuchtenden Schatz bei Euch, der entweder verhüllt oder beigesetzt werden sollte. Ich bin nicht entsandt worden, um Freund oder Feind zu sein, sondern das gewohnte Gleichgewicht der Welten wiederherzustellen.«
»Dann steht uns kein Konflikt bevor«, sagte Paolina. »Dieser Mann hat in den letzten beiden Jahren in der Südlichen Hemisphäre gelebt, ohne ihr Schwierigkeiten zu bereiten. Ich habe diesen Ort auf meinem Rückweg nach Norden aufgesucht. Bald werden Eure Welten wieder im Gleichgewicht sein.«
»Darf ich Euren Schimmer betrachten?«, fragte Gashansunu.
Paolina hielt die Taschenuhr immer noch in ihrer Hand. Dies war eine Bitte, der sie auf keinen Fall nachgeben würde. »Es tut mir leid, aber der Schimmer verbleibt bei mir. Es muss so sein.«
»Es gibt Artefakte, die ich nicht einmal mit meinen Geliebten teilen würde«, sagte Gashansunu, eindeutig bemüht, höflich zu sein.
Auf Englisch , dachte Paolina. Sie sah Hethor nachdenklich an. Welche Verwandlung hatte er bei dieser fremdartigen Frau herbeigeführt? Ihre Anwesenheit schien Hethor tatsächlich zu erfreuen; zumindest gab es keinerlei Anzeichen, dass er sich von ihr bedroht fühlte.
Dies war nicht ihre Heimat, und es war nicht ihre Aufgabe, die Sicherheit des vergessenen Volks zu garantieren. In diesem Moment wollte sie Hethors Idee ausprobieren, die bei Reisen eingesetzte Kraft zu verlagern. Doch die Taschenuhr unter Gashansunus strengem Blick zu verwenden war keine angenehme Vorstellung.
»Ich brauche Zeit, um mich meinen Angelegenheiten zu widmen«, sagte sie daher.
Hethor lächelte. »Dann werde ich unseren Gast in mein Haus einladen, damit sie frisches Obst genießen und mit mir über die Südliche Hemisphäre sprechen kann.«
Paolina sah zu Ming auf und deutete mit einer Kopfbewegung an, dass er mit Hethor gehen solle. Ming würde ihr später vom Verhalten der Frau berichten und konnte Paolina warnen, sollte Gashansunu versuchen, heimlich zum Amphitheater zurückzukehren.
Hethor zuzusehen, wie er selbst diesen leichten Anstieg nur unter Schwierigkeiten meisterte, war schmerzhaft. Arellya ging an seiner Seite, aber alle anderen Mitglieder des vergessenen Volks sahen Gashansunu an wie ein Vogelschwarm, der eine Schlange entdeckt hatte.
Die fremde Hexenmeisterin erwiderte ruhig die Blicke und überwand die gesamte Strecke mit einem Dutzend schneller und leichtfüßiger Schritte.
Sekunden später war Paolina allein mit ihren Steinen und dem sich endlos wiederholenden Surren des Dschungels.
Das von Hethor vorgeschlagene Vorgehen zur
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