Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)
getroffen, egal wie alt Ihre Karte nun ist.« Er nahm einen weiteren Schluck Tee. »Ich bin sicher, dass die Kinder Gottes in meiner Gemeinde Ihnen gerne ihre Melonen, getrockneten Fische und alle Scheffel dessen, was sie zum freien Handel zur Verfügung haben, verkaufen werden.«
Childress hörte draußen das Klatschen von Sandalen, als ein unbemerkter Zuhörer mit diesen guten Nachrichten forteilte. »Vielen Dank, Vater. Das sind gute Neuigkeiten.«
»Hm. Was den Treibstoff und andere Ausrüstung angeht, so glaube ich nicht, dass wir Ihnen hier behilflich sein können, außer natürlich, Ihre Maschinen verbrennen Palmöl und lassen sich mit Holzstöcken reparieren.«
Etwas Unausgesprochenes hing in der Luft. Etwas, das sie nur mit einer geschickt gestellten Frage herausfinden könnte.
Ein Verrat, der nur zu gern begangen, aber nicht einfach angeboten wird , dachte sie.
»Wir werden selbstverständlich anständig mit den Mitgliedern Ihrer Gemeinde verhandeln«, sagte Childress langsam, um mit jeder einzelnen Silbe den Handel perfekt zu machen. »Ich empfinde großen Respekt für die schwierige Aufgabe, die Sie hier übernommen haben.« Ein Schuss ins Blaue, der die wahre Aufgabe dieses Manns hervorzubringen versuchte.
Ein weiterer langsamer Schluck Tee; seine Augen sahen sie nun kühl an. »Ich könnte mir vorstellen, dass jemand ohne die schützende Hand einer Krone solche Dinge gut nachvollziehen kann.«
Krone . Dieser Ort war ein Niemandsland, wenn sie die politische Lage richtig verstanden hatte. Childress versuchte, wie Admiral von Shang oder William of Ghent zu denken, wie all diese Menschen mit ihren weitreichenden und oft verborgenen Absichten, die sie auf ihren Reisen kennengelernt hatte. »Der Einfluss von Macht kann Loyalitäten vergessen lassen.«
Vater Francis verlagerte sein Gewicht. »Was hat Ihr Banner zu bedeuten?«
»Dass unter den Zahnrädern Gottes nur eine Welt existiert«, sagte sie leise und überraschte sich mit ihren eigenen Worten.
»Eine Welt, viele Flaggen. Kennen Sie unsere Geschichte?«
Childress nickte. »Seit einiger Zeit unter portugiesischer Herrschaft, auch wenn Sie kein Lusitanier sind. Jetzt herrscht hier das britische Empire durch seinen Marionettenkönig in Lissabon, nicht wahr?«
»Ja. Für die meisten Leute hat sich nichts geändert. Sie folgen einem Ochsen durch ein Reisfeld oder angeln Goldbarsche aus dem Fluss. Die Flaggenfarben scheinen nicht mehr als eine weitere Blume auf einem schmalen Holzstängel zu sein. Aber für einige macht es einen sehr großen Unterschied …« Er führte eine Fingerspitze über den Tassenrand. »Ich bin hier, weil ich sterbe.«
»Ihr macht auf mich den Eindruck, einst ein wesentlich mächtigerer Mann gewesen zu sein, Vater.«
»Dem ist so. Ich werde mich bald von Ihnen verabschieden, um noch mehr von mir in einem stinkenden Loch zu verlieren. Ich bin nicht so gesund, wie ich aussehe.« Er grinste, doch hinter seinen braun verfärbten, schiefen Zähnen lauerte Verzweiflung im Verborgenen. »Ich habe ein Geheimnis, Bibliothekarin, die Ihr eine Maske seid. Zu einer anderen Zeit hätte ich nicht nur Ihnen, sondern auch den Schweigsamen die Pest an den Hals gewünscht, aber ich verbringe meine letzten Tage auf dieser Erde. Da Sie danach fragen, werde ich Ihnen mein Geschenk überreichen.«
Hoffnung keimte in ihr auf, vermischt mit Entsetzen. »Ich wäre Ihnen für Ihr Vermächtnis dankbar.«
»Vielleicht.« Er nahm sich ein weiteres Stück Obst und kaute langsam; ein blassgrüner Strich zog sich durch die Stoppeln auf seinem Kinn. Dann sprach er weiter: »Es gibt ein Fort, die Küste weiter entlang. Ich werde Ihnen eine Karte geben. Vor nicht allzu langer Zeit streiften dort Piraten umher, aus denselben Gründen, aus denen Sie hierhergekommen sind – in Goa herrschen weder Recht noch Gesetzt, und die wenigsten kümmern sich darum. Diese marodierenden Matrosen sind jetzt verschwunden, denn entweder wurden sie zum Dienst auf den Schiffen Ihrer Kaiserlichen Majestät schanghait oder sie sind auf ihre Felder zurückgekehrt. Vielleicht können Sie dort etwas von dem finden, was Sie benötigen.«
»Piraten?« Sie hätte beinahe gelacht, aber dieser Mann war so ernst wie die Krankheit, die unaufhörlich an ihm zehrte. »Sicherlich werden diese Schätze beschützt? Die Briten werden doch ein Auge auf diejenigen haben, die sich dort bedienen wollen?«
»Natürlich, aber wenn chinesische Unterseeboote diese Gewässer durchkreuzen, wer hat
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