Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)
da schon Zeit, eine alte Höhle zu bewachen, in der sich nur rostige Bauteile und undichte Treibstofffässer befinden?« Er griff unter sein Gewand und zog einen langen, perlenbesetzten Rosenkranz hervor, an dem kein Kreuz, sondern ein Schlüssel hing. »Sie werden ihn brauchen.«
»Kommen Sie mit?«, fragte sie.
Er schüttelte den Kopf. »Selbst der kurze Ritt zu Ihrem Schiff war beinahe zu viel für mich.«
»Warum tun Sie das überhaupt?«
»Wir haben Nachricht erhalten.« Seine Stimme wurde schwächer. »Sie sollten aufgehalten werden. Die Vögel sagten es, die Schweigsamen sagten es. Nur die Royal Navy hat sich bedeckt gehalten. Jeder, der den geheimen Mächten der Welt dermaßen Ärger bereiten kann, ohne den schlafenden Löwen zu wecken, ist ein wahrhaft würdiger Unruhestifter.«
Sie nahm den Schlüssel und die kleine Lederkarte entgegen, die er ihr reichte. Sie trat um den kleinen Rattantisch herum und küsste seine schweißnasse Stirn. »Einen Segen können Sie nicht von mir erwarten«, sagte Childress, »aber Ihnen gehört mein Dank.«
»Eine Welt unter den Zahnrädern Gottes.« Für einen Augenblick schaute ihm der Schalk wieder aus den Augen. »Werden Sie dafür sorgen?«
»Wir werden es versuchen.«
Als Childress die Stufen des Pfarramts hinunterging, rief ihr Vater Francis hinterher. »Ich war wirklich ein Priester, ehrlich.«
Sie drehte sich um und sah ihn lange an.
Ein breites Grinsen war nun auf seinem Gesicht zu sehen, als ob es sich um seinen letzten und besten Witz handelte. »Bevor ich unter der Piratenflagge die Weltmeere durchkreuzte, war ich einer von Gottes Dienern. Der Erzbischof war so freundlich, mich am Ende aller Tage wieder in seinen Dienst aufzunehmen.«
»Gott segne Euch, Vater, denn Ihr habt gesündigt«, antwortete sie und schritt unter der glühenden Tropensonne davon, während hinter ihr sein Lachen an Kraft verlor.
Gashansunu
Baassiia suchte sie zur Stunde der Samenschote auf. Gashansunu meditierte im Haus ihres zweiten Geistes, einem kleinen Zimmer kurz unter der Spitze eines Turms, der sich im Spinnenrad der Stadt erhob. Da es sich um Baassiia handelte, flog er zu ihr.
Als ob rohe Gewalt jemanden beeindrucken könnte, der in der Schweigenden Welt gelebt hatte.
Sie ließ ihr wa für sich sprechen und benutzte die Sprache der Schweigenden: Du störst .
»Es ist nicht nutzlos«, sagte Baassiia, indem er seinen Mund dazu benutzte.
Alles ist nutzlos, wenn nichts benötigt wird.
Der große Mann wusste, dass es wenig Sinn machte, Zirkularitäten mit dem wa eines anderen Hexenmeisters zu diskutieren. Er trat aus der Luft auf Stein und setzte sich so neben sie, dass sie beide auf den Großen Dämmerungssee blickten.
Gashansunu ignorierte ihn eine Zeit lang. Es war ihr gutes Recht, da sie sich in der Meditation befand, und sie wollte ihm ohnehin mit Gehässigkeit begegnen, weil er ungebeten an diesen Ort gekommen war. Er mochte vielleicht den Körper eines Gottes haben und auch im Bett vergleichbare Fähigkeiten, aber außerhalb ihres Arbeitskreises durfte er keine Ansprüche auf sie erheben. Er war nicht einmal Hierarch in ihrem Bezirk des Hauses des Westens.
Er war bloß ein großer, schöner und besorgter Mann.
Schließlich war die Stunde der Samenschote vorbei. Die Seidenblumen auf dem Platz unter ihnen seufzten, als sie ihren Duft in die Abenddämmerung entließen. Ein Hund bellte dreimal, bevor das blubbernde Winseln seines Opfers zu hören war. Die Luft veränderte sich, als die Schweigende Welt ihren Zustand änderte, ähnlich wie Wasser sich in Nebel verwandelte.
»Was bringt dich hierher?«, fragte sie schließlich.
Er hatte regungslos wie eine Statue neben ihr gesessen, seine Angst beherrscht, aber seine Worte erweckten ihn zum Leben, als ob sie ihn selbst als Opfer darreichen wollten. »Das Ungleichgewicht der Weltordnung.«
»Wir haben eine Befragung durchgeführt«, sagte Gashansunu sanft.
»Und sie hat uns nicht im Geringsten weitergeholfen.« Seine Stimme klang angstvoll, besorgt.
So typisch Mann, dachte sie. Immer auf der Suche nach Gewissheit, wenn doch die einzig richtige Entscheidung ist, darauf zu warten, was die Zeit mit sich bringt. »Noch konnten wir nichts herausfinden. Noch nicht.«
»Die Stadt hat eine Nachricht vom Knochenvolk erhalten.«
Diese Aussage traf sie wie ein Schlag. Vor zwei Jahren war ein Himmelsdrachen des Knochenvolks aus dem Hafen ihrer Stadt gestohlen worden. Eine Tierherde, angeführt von einem talgweißen Fremden,
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