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Die Räder des Lebens

Die Räder des Lebens

Titel: Die Räder des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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Hand hielt.
    Sobald er die erste Stufe betreten hatte, wurde ihr klar, warum er sie gepackt hatte. Boas hielt Paolina so, dass ihr Kopf zur Felswand zeigte und ihr so nahe war, dass sie immer wieder zusammenzuckte. Auf der anderen Seite hingegen hätte ihr Kopf über dem Abgrund gebaumelt.
    Das hätte sie nicht ertragen können.
    Sie gingen weiter. Weit unter ihr erkannte sie eine leicht abfallende Landschaft, auf der Forste und Felder unter einer Nebelbank nur schwach zu erkennen waren. Es schien ihr, dass sie kilometerlang nach unten weitergehen würden.
    Schließlich schloss Paolina ihre Augen, denn sie vertraute auf Boas, dass er ihren Kopf nicht gegen den Fels schlug, an dem sie so nahe vorbeikamen. Sie fragte sich eine Zeit lang, warum die Träger alle wie Maschinen wirkten, leise und langsam, aber schließlich sorgten die warmen Sonnenstrahlen und der einschläfernde Rhythmus seiner Schritte dafür, dass ihr die Augen zufielen.
    Al-Wazir
    Acalayong war eine Katastrophe. Zu dem Hafen gehörte nicht einmal eine Stadt, sondern nur eine stinkende, überwucherte Flussmündung, die genügend Tiefgang für große Schiffe bot. Al-Wazir wusste sofort, als sie mit der Wallachian Prince in Sichtweit des Hafens kamen, dass sie sich hier die Hände richtig schmutzig machen mussten. Einer der Frachter, die speziell für den Transport der beiden Dampfbohrer zur Mauer gebaut worden waren, lag im Flussbett, bis auf die Wasserlinie ausgebrannt.
    Soweit er das beurteilen konnte, war der Bohrer vor dem Brand ausgeladen worden. Er sagte sich selbst, dass das ein Glücksfall war.
    Die Äquatorialmauer erhob sich südlich des Flusses Mitémélé in Acalayong. Das Wasser schlug an ein Steinufer, von dem aus eine Ebene nach oben führte, die wiederum in steil ansteigende Felsrippen überging, bevor diese die eigentliche Mauer erreichten. Die Mauer erhob sich bis zum Himmel und blockierte den freien Blick auf den Horizont mit einer gewaltigen Masse nebelumwölkten Gesteins. An ihrem Fuß lag die Landschaft noch im finsteren Schatten, was er für einen Dauerzustand hielt, denn die Sonnenstrahlen drangen hier nur selten bis zum Boden durch.
    Ein Holzgerüst, an dessen Ende ein Kran zu erkennen war, reichte bis in die Flussrinne hinein. Es sah aus wie etwas, das gerade dem Mittelalter entsprungen war. Ivanhoe vielleicht. Aber das war alles, was die Ingenieure, die ihnen vorausgefahren waren, hatten bauen können, zumindest, bis jemand das Schiff im Fluss versenkte.
    Al-Wazirs Blick folgte einem Kiespfad, der von dem Gerüst zur Mauer hinaufführte. Als er im Dschungel verschwand, war er sehr breit. Irgendwo da oben, in einigen Kilometern Entfernung, befanden sich hoffentlich beide Bohrer und tausend Männer, die im schillernd grünen Chaos tropischen Waldes auf Ottweills Ankunft warteten.
    Hier unten am Fluss war nicht ein einziges englisches Gesicht zu sehen. Nur ein paar Eingeborene in ihren Kanus und das niedergebrannte Wrack.
    Er sah wieder zur Mauer hinauf und merkte, dass der Nebel, den er eben gesehen hatte, in Wirklichkeit Rauchschwaden waren.
    Al-Wazir brüllte von der Brücke hinunter zum Deck. »Es hat auf dem Fluss eine Schlacht gegeben, und es läuft gerade eine Schlacht an der Mauer. Teilen sie Hauptmann Hornsby mit, dass wir nach Plan Rot vorgehen werden.«
    Plan Rot bedeutete, alle uniformierten Einheiten bewaffnet abzusetzen – ein Bataillon Marineinfanteristen und eine kleine Armeeeinheit –, gefolgt von allen Männern Ottweills, die bereit waren, sich in den bewaffneten Kampf zu wagen. Gemäß Plan Rot würde al-Wazir zurückbleiben, um das Entladen der Wallachian Prince zu überwachen. Er hatte sich deutlich dagegen ausgesprochen, von Kampfhandlungen ausgeschlossen zu werden, war aber überstimmt worden.
    Die Schiffsbesatzung und ein Teil von Ottweills Männern würden bei ihm bleiben. Sie würden das Schiff unter Anleitung der Ladungsoffiziere so schnell wie möglich entladen und die Vorräte an Land bewachen. Er würde auch anfangen, Gleise zu verlegen, denn er musste den drei kleinen Lokomotiven, die im Augenblick auf das Vorderdeck geschweißt waren, ermöglichen, die Vorräte zum Einsatzort zu schaffen.
    Die Erinnerung an das Schicksal von Gordons Expeditionstruppe belastete al-Wazir sehr, aber damals waren die Umstände anders gewesen. Heute widmeten sie sich der Mauer unter den Bedingungen der Engländer, nicht nach dem, was die Mauer von ihnen wollte. Die Geister und strahlenden Maschinen, die weit oben

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