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Die Räuberbraut

Die Räuberbraut

Titel: Die Räuberbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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ihr Bein zu streicheln, während er gleichzeitig eine zu lebhafte theoretische Diskussion mit Edith, der Layouterin, führte. Das arme Lamm dachte anscheinend, Roz würde nichts merken. Aber ein Blick auf die Haltung von Mitchs Arm – und auf sein feuchter werdendes, röter werdendes, wie gedünstet aussehendes Gesicht, und auf Almas streng gerunzelte Stirn und die verkniffenen Linien um ihren Mund – sagte ihr alles. Roz beobachtete empört, aber auch interessiert, wie Alma sich mit diesem Dilemma herumschlug: sollte sie sich Mitchs Annäherungsversuche gefallen lassen, weil er Roz’ Mann war und sie ihren Job nicht gefährden wollte – etwas, worauf Mitch bei anderen gezählt hatte, in der Vergangenheit -  oder sollte sie sich dagegen wehren? Die Prinzipien siegten, und auch die Empörung, und Alma sagte scharf, wenn auch gedämpft: »Ich bin keine Schwanzlutscherin.«
    »Wie bitte?« sagte Mitch distanziert, höflich, als hätte er keine Ahnung, was sie meinte, die Hand immer noch unter dem Tisch. Das arme Lamm hatte noch nicht mitbekommen, daß Frauen sich wirklich verändert hatten. Früher einmal hätte Alma ein schlechtes Gewissen gehabt, weil sie diese Art von Aufmerksamkeit auf sich zog, jetzt nicht mehr.
    »Nimm deine gottverdammte Hand von meinem gottverdammten Bein, sonst ramm ich dir meine Gabel rein«, zischte Alma.
    Roz fing an zu husten, um zu überspielen, daß sie alles mitbekommen hatte, Mitchs Hand schoß nach oben, als hätte er sich verbrüht, und er fing an, voller Bedauern und Sorge über Alma zu sprechen, als wäre sie eine verlorene Seele, als wäre sie drogenabhängig oder etwas Ähnliches. »Das arme Mädchen«, sagte er kummervoll. »Sie könnte es wirklich zu was bringen, aber sie hat ein Problem mit ihrer Einstellung. Sie könnte sogar ganz gut aussehen, wenn sie nicht ständig so griesgrämig rumlaufen würde.« Er ließ durchblicken, daß sie sogar lesbisch sein könnte; er hatte noch nicht kapiert, daß das längst keine Beleidigung mehr war. Roz wartete eine gebührende Frist ab und setzte dann alle Hebel in Bewegung, um Alma eine Gehaltserhöhung zukommen zu lassen.
    Jedenfalls neigt Mitch dazu, Roz’ Freundinnen für griesgrämig zu halten. Und seit neuestem für abgetakelt. Er kann es sich nicht verkneifen, Bemerkungen darüber zu machen, daß ihre Gesichter allmählich schlaff werden, als wäre das bei seinem nicht der Fall, obwohl es stimmt, daß Männer es sich eher leisten können, älter auszusehen. Wahrscheinlich ist es Rache: er vermutet, daß Roz und ihre Freundinnen hinter seinem Rücken über ihn reden, ihn analysieren und Heilmethoden für ihn vorschlagen, als wäre er eine Magenkrankheit. Früher hat das sogar gestimmt, zugegeben, als Roz noch dachte, sie könnte ihn ändern, oder als ihre Freundinnen dachten, sie könnte sich selbst ändern. Als er ein Projekt war. Verlaß ihn, sagten sie. Schmeiß den Arsch raus. Du kannst es dir doch leisten.  Wieso bleibst du bei ihm?
    Aber Roz hatte ihre Gründe, zu denen auch ihre Kinder zählten. Außerdem war sie immer noch Ex-Katholikin genug, um beim Gedanken an Scheidung nervös zu werden. Außerdem wollte sie sich nicht eingestehen, daß sie einen Fehler gemacht hatte. Außerdem liebte sie Mitch immer noch. Und so hörte sie nach einer Weile auf, mit ihren Freundinnen über ihn zu reden, denn was hätte sie schon noch sagen können? Es war eine Patt-Situation, und Lösungen durchzukauen, von denen sie wußte, daß sie sie doch nie in die Tat umsetzen würde, bereitete ihr Schuldgefühle.
    Dann hörten ihre Freundinnen auf, Latzhosen zu tragen, und verließen die Zeitschrift, und wechselten auf maßgeschneiderte Kostüme über, die von weitem nach Erfolg rochen, und verloren das Interesse an Mitch und redeten statt dessen von Burnout, und Roz konnte es sich erlauben, anderer Dinge wegen ein schlechtes Gewissen zu haben, zum Beispiel, weil sie selbst durchsetzungsfähiger war als sie. Aber Mitch sagt immer noch: »Triffst du dich mit dieser männerhassenden alten Vogelscheuche?« wenn eine ihrer Freundinnen von damals auftaucht. Er weiß, daß er sie damit trifft.
    Wenn es um Charis und Tony geht, ist er toleranter, vielleicht, weil Roz sie schon so lange kennt und sie die Patinnen der Zwillinge sind. Aber er findet, daß Tony komisch ist und Charis spinnt. Auf diese Weise neutralisiert er sie. Soweit Roz weiß, hat er sich nie an die beiden herangemacht. Möglicherweise fallen sie für ihn nicht in die Kategorie

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