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Die Räuberbraut

Die Räuberbraut

Titel: Die Räuberbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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Pflanzen leben. Sie mag sie sogar, obwohl sie eine Begonie nicht von einem Rhododendron unterscheiden kann. Aber diese Dinge sollten von Fachleuten erledigt werden, von einem Pflanzendienst. Sie kommen, sie sehen, sie gießen, sie karren von dannen, was im Sterben liegt, sie bringen frische Truppen.
    Für ihr Büro hat sie so einen Dienst, wieso dann nicht auch hier? Weil Mitch sagt, daß er nicht will, daß noch mehr Fremde durch das Haus trampeln – er leidet an Innenarchitektensyndrom –, aber es ist auch möglich, daß er die Vorstellung von Roz mit Schürze und Gießkanne liebt, so wie er die Vorstellung von Roz mit Schürze und Bratpfanne liebt, und mit Schürze und Staubwedel, obwohl Roz sich nicht einmal dann aus einer Papiertüte herauskochen könnte, wenn ihr Leben davon abhinge, und wieso hat Gott Restaurants geschaffen, wenn er wollte, daß sie selbst kocht, und außerdem hat sie auch eine Staubwedelphobie, weil sie als Kind damit zwangsgefüttert wurde. Konstant ist nur die Schürze, die Braves-Hausmütterchen- Garantie dafür, daß Roz zu Hause sein wird, wann immer es Mitch in den Sinn kommt, sich dort blicken zu lassen.
    Oder vielleicht steckt auch ein anderer Plan dahinter, vielleicht hat die Schuld, die Roz wegen der kaputten Pflanzen fühlen soll, und auch fühlt, eine weitere Nuance, weil nämlich Mitch einen Swimmingpool anstelle des Wintergartens wollte, damit er in ein chloriertes, läuterndes Bad hüpfen und seine Brusthaare sterilisieren und dem Fußpilz oder den Filzläusen oder der Zungenfäule, die er sich eventuell beim Pflücken seiner reifenden Früchtchen geholt hat, den Garaus machen könnte; aber Roz sagte, ein Außenpool in Kanada sei einfach lächerlich, zwei Monate sengende Hitze und zehn Monate den Hintern abfrieren, und sie wollte auch keinen Innenpool, weil sie Leute kannte, die einen hatten, und ihre Häuser rochen an heißen Tag wie ein Gaswerk, wegen der vielen Chemikalien, und außerdem erfordert ein Pool eine komplizierte Maschinerie, die ständig den Geist aufgeben würde, und irgendwie würde Roz diejenige sein, die dafür verantwortlich wäre, alles wieder in Ordnung bringen zu lassen. Das Schlimmste an diesen Swimmingpools ist jedoch, zumindest wenn man Roz fragt, daß sie zu viel Ähnlichkeit mit der großen, freien Natur haben. Wilde Tiere fallen in sie hinein. Ameisen, Motten und dergleichen. Wie damals im Sommercamp würde sie nichts Böses ahnend vor sich hinplätschern, und plötzlich wäre da ein Käfer, genau vor ihrer Nase. Wenn man Roz fragt, gehört Schwimmen zu den bedeutenderen Gesundheitsrisiken.
    Zenia lacht und sagt, daß sie der absolut selben Meinung ist, und Roz redet unaufhörlich weiter, weil sie nervös ist, Zenia nach all diesen Jahren wiederzusehen, sie erinnert sich an den Ruf, den sie hatte, die Aura grünen Gifts, die sie damals umgab, das unsichtbare Glühen, das von ihr ausging, eine Berührung reichte, um sich die Finger zu verbrennen; und sie erinnert sich an Geschichten, an die Geschichten von Tony und Charis. Sie bewegt sich auf unsicherem Boden, kein Wunder also, daß sie nervös ist, und wenn sie nervös ist, redet sie. Redet und ißt und trinkt. Zenia nimmt sich eine Olive und knabbert zierlich daran, Roz verschlingt den ganzen Rest, und füllt Zenias Martini auf und schenkt sich selbst einen neuen ein, und bietet Zigaretten an, während die Worte aus ihr heraussprudeln wie Tinte aus einem Tintenfisch. Alles Tarnung. Sie ist erleichtert, daß Zenia raucht. Es wäre einfach unerträglich, wenn sie nicht nur schlank und gut gekleidet und faltenlos und einfach umwerfend, sondern zudem auch noch Nichtraucherin wäre.
     
    »Also«, sagt Roz, als sie sich genügend zum Narren gemacht hat, um der Meinung zu sein, daß das Eis gebrochen ist. »Mein Vater.« Denn das ist es schließlich, was sie will, das ist der ganze Sinn und Zweck des Besuchs. Oder?
    »Ja«, sagt Zenia. Sie beugt sich vor, stellt ihr Glas ab, stützt das Kinn nachdenklich in eine Hand und runzelt leise die Stirn. »Ich war natürlich nur ein Baby. Also kann ich mich nicht wirklich daran erinnern. Aber meine Tante hat immer von deinem Vater gesprochen, bevor sie starb. Wie er uns rausgeholt hat. Wär er nicht gewesen, wär ich wahrscheinlich nur noch Asche.
    Es war in Berlin. Meine Eltern lebten dort, in einem guten Viertel, in einer schönen Wohnung – in einem dieser alten Berliner Häuser mit Kachelmosaiken in der Eingangshalle und einem breiten Treppenhaus mit

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