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Die Räuberbraut

Die Räuberbraut

Titel: Die Räuberbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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brauchten, und früher oder später würde er mich finden. Er war derjenige, den ich überzeugen mußte, damit er endlich aufgab. Damit er endlich Ruhe gab.»
    »Wieso Beirut?« sagt Tony.
    »Wenn du vorhättest, dich in die Luft jagen zu lassen, damals, was hättest du dir für einen besseren Ort aussuchen können?« sagt Zenia. »Die Stadt wimmelte nur so von zerfetzten Leichen; es gibt immer noch Hunderte, die sie bis heute nicht identifiziert haben.«
    »Du weißt, daß Mitch sich umgebracht hat«, sagt Tony. »Deinetwegen.«
    Zenia seufzt. »Tony, wann wirst du endlich erwachsen?« sagt sie. »Er hat sich nicht meinetwegen umgebracht. Ich war nur der Vorwand. Er hatte nur darauf gewartet. Sein ganzes Leben lang, würd ich sagen.«
    »Roz glaubt, er hat es deinetwegen getan«, sagt Tony lahm.
    »Mitch hat mir mal gesagt, mit Roz schlafen wär so, wie mit einem Zementmixer ins Bett zu gehen.«
    »Das ist grausam«, sagt Tony.
    »Ich berichte nur«, sagt Zenia kühl. »Mitch war ein Ekel. Roz soll froh sein, daß sie ihn los ist.«
    Das kommt dem, was Tony selbst denkt, ein bißchen zu nahe. Sie merkt, daß sie lächelt; lächelt und zurückfällt, zurückrutscht in diesen Zustand, an den sie sich so gut erinnert. Partnerschaft. Komplizenschaft. Das Team.
    »Wieso wir, auf deiner Beerdigung?« sagt Tony.
    »Fassade«, sagt Zenia. »Es mußte jemand von der persönlichen Seite da sein. Du weißt schon, alte Freunde und so. Ich dachte, es würde euch Spaß machen. Und alles, was Roz wußte, würde Mitch wenig später auch wissen. Er war derjenige, den ich dabeihaben wollte. Aber er hat sich gedrückt. Vom Kummer niedergestreckt, könnt ich mir denken.«
    »Der Friedhof wimmelte vor Männern in langen Mänteln«, sagt Tony.
    »Einer von ihnen war von mir«, sagt Zenia. »Er sollte für mich überprüfen, wer alles da war. Ein paar waren von der Gegenseite. Hast du geheult?«
    »Ich heul nicht so schnell«, sagt Tony. »Charis hat ein bißchen geschnüffelt.« Sie schämt sich jetzt für das, was sie drei damals gesagt haben und wie sie triumphiert haben, und wie gemein sie waren.
    Zenia lacht. »Charis hatte immer schon Brei anstelle eines Gehirns«, sagt sie.
    Es klopft an der Tür. »Es ist nur der Kaffee«, sagt Zenia. »Machst du bitte auf?« Tony vermutet, daß Zenia den einen oder anderen Grund dafür hat, daß sie die Tür nicht selbst aufmachen will. Ein sorgenvolles Prickeln läuft ihr über den Rücken.
    Aber es ist wirklich der Kaffee, gebracht von einem braunhäutigen Mann. Der Mann lächelt, und Tony nimmt das Tablett entgegen, kritzelt ein Trinkgeld auf die Rechnung, schließt leise die Tür und legt den Riegel vor. Zenia muß vor den Mächten beschützt werden, die sie bedrohen. Beschützt von Tony. In diesem Augenblick, in diesem Zimmer, in dem Zenia endlich in Fleisch und Blut vor ihr sitzt, kann Tony sich kaum noch daran erinnern, was sie in der letzten Woche getan hat – wie sie in einem Zustand kalter Wut durch die Gegend geschlichen ist, eine Pistole in der Tasche, und selbstsüchtigerweise geplant hat, Zenia umzulegen. Warum hat sie das gewollt? Warum sollte irgend jemand das wollen? Zenia rauscht durch das Leben wie ein Schiffsbug, wie eine Galeone. Sie ist prächtig, sie ist einzigartig. Sie ist die Vorhut.
    »Du wolltest mit mir sprechen?« sagt Tony, um auf das eigentliche Thema zu kommen.
    »Möchtest du einen Schuß Rum in deinen Kaffee? Nein?« sagt Zenia. Sie macht ein kleines Fläschchen aus der Minibar auf und kippt einen Schuß in ihre Tasse. Dann runzelt sie die Stirn und senkt vertraulich die Stimme. »Ich wollte dich um einen Gefallen bitten. Du bist die einzige, an die ich mich wenden kann.«
    Tony wartet. Sie ist wieder auf der Hut. Paß auf, warnt sie sich selbst. Sie sollte hier verschwinden, auf der Stelle. Aber was kann es schon schaden zuzuhören? Außerdem ist sie gespannt zu erfahren, was Zenia will. Wahrscheinlich Geld. Tony kann immer noch nein sagen.
    »Ich muß irgendwo Unterkommen«, sagt Zenia. »Nicht hier, hier ist nicht gut. Bei dir, dachte ich. Nur für ein paar Wochen.«
    »Warum?« sagt Tony.
    Zenia macht eine ungeduldige Handbewegung, Asche rieselt. »Weil sie nach mir suchen. Nicht die Iren, die hab ich abgeschüttelt. Gewisse andere Leute. Noch sind sie nicht hier, in dieser Stadt. Aber sie werden kommen. Sie werden lokale Profis anheuern.«
    »Wieso sollten sie es dann nicht auch bei mir versuchen?« sagt Tony. »Wär das nicht der erste Ort, an dem sie

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