Die Ranch
fliege dann nach London. Ich kam hierher, um nachzudenken, und ich wusste schon bald, was ich tun muss. Ich glaube, es war mir schon vorher klar, denn als ich unser Apartment in New York verließ, nahm ich bereits Abschied von jenem Leben. Und hier fand ich meinen Entschluss bestätigt.«
Verständnisvoll nickte er. »In diesen Bergen gewinnt man sehr schnell Klarheit über die Dinge, die einem wichtig sind. Nach Margarets Tod kam ich hierher, um den Weg in ein neues Leben zu suchen.« Lächelnd ergriff er Mary Stuarts Hand. »Und da fand ich dich. Selbst wenn es keine Zukunft für uns gibt – wenn du zu deinem Mann zurückkehrst, sollst du wissen, wie glücklich du mich gemacht hast. Dir verdanke ich die Erkenntnis, dass ich wieder fähig bin, zu leben und zu lieben.«
Das gleiche Geschenk hatte er auch ihr gemacht. Und darauf wollte sie nicht verzichten. Das verlangte er auch gar nicht von ihr – er bat sie nur, sich Gewissheit zu verschaffen. Doch im Grunde ihres Herzens gab es keinen Zweifel mehr. »Wenn ich Bill wieder sehe, wird sich nichts ändern.« Zärtlich drückte sie Hartleys Hand an ihre Wange. Bei ihm fühlte sie sich so sicher und geborgen, und sie liebte ihn. Trotzdem musste sie ihm und vielleicht auch sich selbst beweisen, dass sie nichts mehr für Bill empfand. »Als er mich heute Abend anrief, hatte ich das seltsame Gefühl, ich würde mit einem Fremden reden. Zunächst erkannte ich seine Stimme nicht -und er meine auch nicht. Sonderbar – wie weit sich zwei Menschen voneinander entfernen können, die sich einmal liebten …«
»Du musst bedenken, was ihr beide durchgemacht habt. Nur wenige Ehen überstehen den Tod eines Kindes. Um so etwas zu verkraften, muss man sehr stark sein.«
»Und das waren wir nicht.«
Um die traurigen Erinnerungen zu verscheuchen, wechselte er das Thema und besprach mit ihr, was sie bei ihrem Wiedersehen in New York unternehmen würden. Er konnte es kaum erwarten, sein Leben mit ihr zu teilen, und er glaubte, es würde keine Probleme geben, sobald sie geschieden war. Nur der Gedanke an ihre Tochter beunruhigte ihn ein wenig. Er selbst hatte keine Kinder, und er fragte sich, ob Alyssa ihn ablehnen würde. Womöglich gab sie ihm die Schuld an der Scheidung und hasste ihn, um ihrem Vater die Treue zu halten. Über dieses Problem hatte er am Nachmittag mit Mary Stuart gesprochen.
Sie hatte erwidert, natürlich würde sie ein sehr ernstes, schmerzliches Gespräch mit ihrer Tochter führen müssen. Aber sie sei nicht bereit, ihr zuliebe bei Bill zu bleiben. Alyssa musste ihr eigenes Leben führen, und Mary Stuarts Leben war zur Hälfte vorbei. Die Jahre, die ihr noch blieben, wollte sie mit einem Menschen verbringen, den sie liebte und der ihre Gefühle erwiderte. Sie musste ihre Chance nutzen, und nur aus Loyalität würde sie ihre unglückliche Ehe nicht fortsetzen.
An diesem Abend saßen sie noch lange beisammen, redeten über die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Mary Stuart nahm an, sie würde nur für ein paar Tage nach London fliegen, denn Bill war wohl kaum zu einer längeren Diskussion bereit, und vielleicht würde sie sich irgendwo mit Alyssa treffen. Vorerst mochte sie ihrer Tochter nichts von der Scheidung erzählen, es sei denn, Bill würde sie dazu auffordern. Dieses Gespräch konnte bis zum September warten, und danach würde Mary Stuart in die Staaten zurückkehren und ihr neues Leben organisieren.
Was das Apartment betraf, wusste sie nicht, wie Bill sich entscheiden würde – ob er es verkaufen oder weiterhin darin wohnen wollte. Sie selbst würde auf jeden Fall woanders hinziehen, um den qualvollen Erinnerungen zu entrinnen. Die Sachen ihres Sohnes hatte sie bereits weggeräumt, nun musste sie auch ihre eigenen entfernen. Es war an der Zeit für einen Neubeginn. Hoffentlich mit Hartley.
»Willst du mit mir auf Fisher's Island fahren, wenn du wieder in New York bist?«, fragte er zögernd. »Da besitze ich ein hübsches altes Haus. Seit Margarets Tod war ich nur selten dort, aber im August würde ich gern ein paar Tage auf der Insel verbringen.«
Lächelnd nickte sie. Auch ihn verfolgten die Geister der Vergangenheit. »Das wäre wundervoll. Bis jetzt wusste ich nicht genau, was ich mit dem Rest des Sommers anfangen werde, und ich habe überlegt, ob ich Freunde in East Hampton besuchen soll.«
»Komm lieber zu mir«, bat er und küsste ihre Schläfe. Wie schön wäre es, morgens neben ihr zu erwachen, das Meer rauschen zu hören und
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