Die Ranch
lieben wir dich.«
»Verdammt, und ich dachte, es würde an meinem texanischen Akzent liegen.« Die gedehnte Sprechweise kam auch in Tanyas Songs zum Ausdruck, ein besonderes Kennzeichen, das ihre Fans begeisterte. »Was ich noch immer nicht begreife – warum musstet ihr mich mitten in der Nacht aus dem Bett holen? Das kann nicht gesund sein, schon gar nicht in dieser dünnen Bergluft. Hoffentlich kriege ich keinen Herzanfall.« Unter lautem Stöhnen und Ächzen stieg Tanya den kurzen Weg zum Hauptgebäude hinauf.
»Keine Bange, die Luft wird dir gut tun«, erwiderte Zoe. »Bis heute Abend wirst du dich daran gewöhnen, und dann kannst du auf Alkohol verzichten.«
»Warum?«, fragte Tanya. Sie trank nicht viel, aber Zoes Behauptung verblüffte sie.
»Weil du nach dem ersten Schluck umfallen und dich unsterblich blamieren würdest«, erklärte Zoe amüsiert und erinnerte sie an eine College-Party, auf der Tanya nach einem Tanz umgekippt war. Zoe und Mary Stuart hatten sie nach Hause geschleppt. Im Zimmer angekommen, hatte sie auf Zoes Bett erbrochen, und die Freundin war stinksauer gewesen. Jetzt, über zwei Jahrzehnte später, schaute Tanya immer noch verlegen drein und suchte sich mit einer Grippe herauszureden. »Du warst einfach nur betrunken«, versicherte Zoe, und Mary Stuart lachte schallend.
Wie eine schöne Vision erschienen sie im Speiseraum. Einige Gäste saßen an den Tischen, andere bedienten sich am Büffet. Bis auf ein paar typische putzmuntere Morgenmenschen sahen alle verschlafen aus. Inzwischen hatte sich herumgesprochen, Tanya Thomas würde auf der Ranch Urlaub machen. Aber auf diesen Anblick war niemand vorbereitet. Während sie mit ihren Freundinnen scherzte und lachte, wirkte sie unglaublich jung und entspannt. Sämtliche Gäste hielten inne und gafften. Mary Stuart und Zoe nahmen ihre berühmte Freundin in die Mitte und führten sie zu einem Ecktisch. Während Zoe das Frühstück vom Buffet holte, blieb Mary Stuart bei Tanya sitzen und versuchte, sie gegen neugierige Blicke abzuschirmen.
»Was würde passieren, wenn ich ihnen den nackten Hintern zeige?«, wisperte Tanya. Sie kehrte den Leuten den Rücken, trug ihren Cowboyhut und die Sonnenbrille, doch sie sah trotzdem spektakulär aus.
»Sicher würdest du großen Eindruck schinden«, meinte Mary Stuart. Leise unterhielten sie sich, bis Zoe Brötchen, Speck und drei Joghurts servierte.
»Ich habe für uns alle Spiegeleier und Haferschrot bestellt«, verkündete sie.
Entsetzt schnappte Tanya nach Luft. »Wenn ich schon zum Frühstück so viel esse, muss ich mich nach diesem Urlaub sechs Monate lang auf einer Schlankheitsfarm herumquälen.«
»Reg dich ab, das tut dir gut«, bemerkte Zoe sachlich. »Du musst dich an die Bergluft gewöhnen, du wirst dich viel bewegen, also brauchst du eine Stärkung. Befehl vom Doktor. «
Tanya begann ihren Joghurt zu löffeln. »Sag, was du willst – ich habe nicht vor, die Ranch mit zehn Pfund Übergewicht zu verlassen.« Aber sie war hungriger, als sie vermutet hatte. Nach ein paar Minuten nahm sie sich ein Brötchen. Zoe ging noch einmal zum Buffet, um die Eier und den Haferschrot zu holen. Als sie zurückkehrte, fragte Tanya: »Wie schlimm ist's denn?«
»Das Essen?« Erstaunt hob Zoe die Brauen. »Ausgezeichnet!
»Nein, du Dummkopf, ich meine die Leute.«
»Oh …« Zoe begann ihre Spiegeleier zu verspeisen. »Teils – teils.«
»Sag's mir, damit ich weiß, was mich erwartet. Sind die Eingeborenen freundlich gesinnt?« Tanya hoffte, mit der Zeit würden die anderen Gäste das Interesse verlieren, was manchmal passierte, wenn sie längere Zeit in einem Hotel wohnte. Oder sie musste abreisen. Aber das würde sie diesmal nicht tun.
»Mal sehen«, erwiderte Zoe. »Vier Frauen wollten wissen, ob dein Haar echt ist, zwei ihrer Ehemänner haben sich erkundigt, ob deine Brüste operativ vergrößert wurden. Und einer ist ganz scharf auf deinen Arsch. Drei Frauen glauben, du wärst geliftet, fünf andere schwören das Gegenteil. Ein paar Teenager sind verrückt nach einem Autogramm. Aber ihre Mütter drohen, sie würden ihnen den Hals umdrehen, wenn sie dich belästigen. Und alle Kellner haben sich sofort in dich verliebt. Ich glaube, das wäre alles … Ach ja, der kleine Mexikaner, der die Spiegeleier gebraten hat, hat gefragt, ob das Gerücht stimmt, dass du aus einer hispanischen Familie stammst. Als ich sagte, das würde ich bezweifeln, war er bitter enttäuscht.«
Amüsiert hörte Tanya zu.
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