Die Ranch
beigefarbenen Wildlederjeans mit Fransen an den Seiten und einem passenden Hemd kam sie aus ihrem Zimmer. Auch der Cowboyhut war beige. Das Outfit entsprach dem typischen Western-Stil, stammte aber aus Paris.
»Wow, ihr Texaner!«, jammerte Mary Stuart, die zu smaragdgrünen Jeans einen Sweater in der gleichen Farbe und schwarze Stiefel trug. Zoe erschien in Stretchjeans und einer Militärjacke von Ralph Lauren. Wie immer waren sie die schönsten Frauen im Speiseraum, und Hartley nannte sie »Hartleys Angels«, was sie amüsierte.
An diesem Abend verlief das Dinner sehr lebhaft. Benjamin rannte unentwegt herum, während seine Mutter ankündigte, dass demnächst ihre Wehen beginnen würden. Für sie war die Woche traumatisch gewesen, und sie erklärte, sie könne die Heimkehr nach Kansas City an diesem Wochenende kaum erwarten. Das verstand Mary Stuart nur zu gut, denn einen solchen Urlaub wollte man im achten Monat einer Schwangerschaft nicht erleben. Aber sie freute sich, Benjie zu sehen, und erfüllte seinen Wunsch, ein zweites Mal auf seinen Gipsverband zu schreiben. Nach dem Dinner gingen die drei Freundinnen mit Hartley zum Wohnmobil und fuhren nach Jackson Hole.
»Was für ein unglaubliches Vehikel!«, meinte er fasziniert. »Und ich dachte, mein Jaguar wäre einsame Spitze.«
»Ich fahre einen zehn Jahre alten VW-Bus«, gestand Zoe, und er lachte. Doch sie sparte für einen guten Zweck, denn sie steckte jeden Cent, den sie verdiente, in ihre Klinik, in medizinische Geräte und Medikamente.
»Leider kann die literarische Szene nicht mit Hollywood konkurrieren, Tanya«, meinte Hartley.
»Mag sein. Aber denken Sie an die ganze Scheiße, die wir ertragen müssen. Ihr Schriftsteller arbeitet in einer kultivierten Welt, ich bin dauernd von Wilden umringt. Also habe ich mir ein bisschen Luxus verdient«, rechtfertigte sie sich zur allgemeinen Belustigung.
Die Fahrt im komfortablen Wohnmobil verging sehr schnell. Eine halbe Stunde später erreichten sie den Schauplatz des Rodeos. Die Direktion der Moose Ranch hatte ihnen erstklassige Plätze besorgt. In dieser vertrauten Atmosphäre, von wohl bekannten Gerüchen umgeben, fühlte sich Tanya an ihre Kindheit erinnert. Manchmal war sie auf ihrem Pony zu den Rodeos geritten, und später hatte sie gelegentlich an den Wettkämpfen teilgenommen. Aber ihr Daddy hatte erklärt, das sei zu teuer, und sie war auch nicht so verrückt nach Pferden. Sie liebte einfach nur die aufregende Atmosphäre.
Auf dem Weg zu ihren Plätzen kauften sie Popcorn und Cola-Dosen. Einer der Veranstalter kam auf sie zu und fragte sichtlich nervös, ob er mit Miss Thomas sprechen dürfe.
Sofort stellte sich Hartley schützend vor Tanya. »Worum geht es?«
»Nun, wir möchten Miss Thomas um einen Gefallen bitten«, erwiderte der Mann mit breitem texanischen Akzent.
»Was kann ich für Sie tun?« Tanya trat vor. Inzwischen hatte sie erkannt, dass der Mann zwar lästig, aber harmlos war.
»Also, wir dachten …« Er schwitzte und wünschte, man hätte jemand anderen mit dieser heiklen Aufgabe betraut. Ihr elegant gekleideter Bodyguard, für den er Hartley hielt, jagte ihm Angst ein. Auch Tom hatte eine Eintrittskarte bekommen. Allerdings wusste Tanya nicht, wo er saß. »Wahrscheinlich wollen Sie's nicht machen, Miss Thomas«, fuhr der Mann unsicher fort. »Und wir können Ihnen nichts bezahlen … Jedenfalls wär's uns eine große Ehre …« Am liebsten hätte sie ihn geschüttelt, damit er sein Anliegen endlich vorbrachte. »Würden Sie heute Abend die Hymne singen?«
Verwirrt hob sie die Brauen. Diese Hymne hatte sie schon mehrmals vorgetragen, und sie fand die Bitte rührend. Einerseits war das Lied schwierig zu singen, andererseits würde es Spaß machen, im Freien aufzutreten, von majestätischen Bergen umgeben. Was würde Gordon denken, wenn sie sich dazu entschloss? Ihm zuliebe wollte sie den Wunsch der Veranstalter erfüllen. Vielleicht würde ihm das bei seinem Ritt auf dem wilden Pferd Glück bringen. »Sehr gern«, antwortete sie. »Wo soll ich die Hymne singen?«
»Würden Sie mich begleiten?«
Sie zögerte kurz. Was mochte ihr zustoßen, wenn sie sich der Menschenmenge schutzlos auslieferte? Ihre Freundinnen musterten sie besorgt.
»Wenn Sie wollen, komme ich mit«, erbot sich Hartley.
»Nicht nötig«, erwiderte sie leise. »Vermutlich werde ich mitten auf dem Reitplatz stehen. Falls Ihnen was Verdächtiges auffällt, verständigen Sie bitte den Sicherheitsdienst, und
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