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Die Rastlosen (German Edition)

Die Rastlosen (German Edition)

Titel: Die Rastlosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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Tabletten und fand ein Waschbecken, wo er sich das Gesicht und auch den Nacken benetzte.
    Das Gefühl, um Haaresbreite an der Katastrophe vorbeigeschlittert zu sein, war zugleich befriedigend und erschütternd, ähnlich einem Orgasmus, der ja angeblich mit einem Fallschirmsprung zu vergleichen ist. Er erfrischte sich nochmals kurz, dann setzte er eine entspannte Miene auf und ging ebenfalls in den Garten hinaus – ohne dass er einen eindringlichen oder auch nur irgendwie besonderen Blick bemerkte, der auf ihn gerichtet war.
    Marianne fragte ihn, wo er gewesen sei, kümmerte sich aber kaum um seine Antwort, für die sie sich anscheinend nur sehr bedingt interessierte. Es war früher Nachmittag, und das Sonnenlicht strahlte ungeheuer hell, die Schattenplätze waren die begehrtesten und folglich voller Gäste, so dass nur geringe Aussicht darauf bestand, dort die Ruhe zu finden, nach der er sich sehnte – und die er brauchte, um sich zu erholen.
    Richard Olso wohnte in einem ruhigen grünen Viertel. Hier schien jede Familie ein halbes Dutzend Fahrzeuge zu besitzen, denn es war praktisch unmöglich – von Wundern einmal abgesehen –, in der näheren Umgebung einen Parkplatz zu finden. Sich unauffällig nach draußen zu stehlen war ein Leichtes, auf der Straße ging er dann wieder aufrecht. Aber sich zu erinnern, wo er den Fiat geparkt hatte, war die reinste Tortur, denn das schrecklich flackernde, weiße Sonnenlicht quälte ihn, und das trotz der fünf oder sechs Gramm Aspirin, die er geschluckt hatte.
    Er suchte, so gut es ging, die Gegend ab, schleppte sich voran, ohne auf eine Menschenseele zu treffen, die ihm hätte sagen können, wo er sich befand.
    Er irrte eine gute Viertelstunde umher. Der Druck auf seinen Schläfen – das dumpfe, unterschwellige Pulsieren des Bluts – verwirrte ihn ebenso wie das überbordende Licht, das sich vom Himmel ergoss und ihn die Augen zusammenkneifen ließ, weil er seine Sonnenbrille im Handschuhfach vergessen hatte.
    Deshalb war seine erste Maßnahme, sobald er sich in sein Auto hatte fallen lassen, sie aufzusetzen. Was war das zunächst für eine Erleichterung. Was für eine Erleichterung, wenn man das Licht dimmen, es bis zu einem gewissen Grad abdämpfen konnte. Lange umklammerte er das Lenkrad mit den Händen, schloss die Augen, senkte den Kopf, dann ließ er den Motor an und setzte sich mühsam in Bewegung – er driftete dauernd nach links ab und kam dem Gegenverkehr gefährlich nah, der ihm hupend auswich, oder er überquerte Kreuzungen bei Hellrot, was dieselbe Reaktion auslöste und ihm fast das Trommelfell zerriss.
    Es endete schließlich damit, dass er Nasenbluten bekam. An einer Ampel bedeutete ihm eine Frau, die ihn mit einem vor Abscheu und Schreck verzogenen Gesicht anstarrte, dass etwas nicht stimmte. Er blickte kurz in den Rückspiegel und sah, wie das Blut über sein Kinn strömte – und auf sein Hemd tropfte. Inzwischen wurde ringsum heftig gehupt, da die Ampel auf Grün gesprungen war und er die Avenue blockierte – weil er damit beschäftigt war, seine Taschen fieberhaft nach einem Tempo oder etwas Ähnlichem zu durchwühlen. Von einer Küchenrolle, die passenderweise auf der Rückbank lag, riss er einige Stücke ab und presste sie an seine Nase, während die Fahrer hinter ihm von einer Art Massenhysterie ergriffen wurden und ein Hupkonzert anstimmten.
    Er setzte seinen Blinker und wechselte mühsam und mit aller Vorsicht – weil bei jedem seiner Einfädelversuche die Gefahr bestand, dass er gerammt wurde, da er ja irgendwie mit einer Hand das Blut aus seiner Nase stillen musste – auf die rechte Spur, um aus dem Strom auszubrechen und sich mit diesem x-ten Ärgernis auseinanderzusetzen, das das Schicksal ihm aufbürdete und das ihn dazu verdammte, den Kopf nach hinten zu legen, und Schluss.
    Er geriet ordentlich ins Schwitzen. Trotz seines Nasenblutens und der gewaltigen Migräne, die ihn seit dem Vormittag quälte, schaffte er es auf die Standspur. Er stellte den Motor ab und schaltete die Warnblinkanlage ein. Es war kein idealer Ort, um sich auszuruhen, aber er nahm den mangelnden Komfort in Kauf, so erleichtert war er, dass er auf dieser Ringstraße am See nicht sein Leben gelassen hatte.
    Er hielt den Kopf nach hinten gelegt und tränkte noch einige Blatt Küchenrolle mit Blut, während gleich neben ihm der Verkehr vorbeirauschte wie ein unterirdischer Fluss. Der blaue Nachmittagshimmel verfärbte sich an einigen Stellen rosa.
    Der Polizist klopfte

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