Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rastlosen (German Edition)

Die Rastlosen (German Edition)

Titel: Die Rastlosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
Vom Netzwerk:
in der Materie. Es war bestimmt nicht ihr bevorzugtes Gesprächsthema – viel lieber hörte sie sich die Geschichten über all die Abscheulichkeiten an, die er durchgemacht und wie er sie wunderbarerweise überlebt hatte, bis zum krönenden Abschluss –, aber sie hörte ihm ohne das geringste Anzeichen von Langeweile zu, sah, wie seine Augen glänzten, sobald er davon sprach, und war völlig perplex.
    Sie fand ihn manchmal wirklich rührend. Dieser Typ brennt lichterloh für seine Leidenschaft, dachte sie, eigentlich ist dieser Typ faszinierend.
    Die Literatur war faszinierend, er ein Nichts. Er erzählte von der Zeit, als er noch glaubte, er könne Schriftsteller werden, von dieser verrückten Hoffnung, die er genährt hatte, bis zu dem schmerzhaften Eingeständnis, dass er nicht dazugehörte, dass er nicht mit dem Genius gesegnet war.
    Solche Gespräche berührten sie. Sie fand ihn einfach schön, einfach zum Anbeißen – wenn er in der Küche halbnackt Eiswürfel zerkleinerte und dabei eine Zigarette rauchte, im Halbdunkel seine Geschichten erzählte –, das Schlimmste aber war, dass er sich zu allem Überfluss als sehr guter Sexualpartner erwies, wie sie schon seit Jahren keinen mehr gehabt hatte.
    »Manchmal sind sie derart mittelmäßig, dass ich mich für sie schäme, verstehen Sie?«, meinte er. »Dass ich so zum Narren gehalten werde. Dass man mir so einen Stuss vorsetzt, so einen Plunder, derart schlecht geschrieben. Wo nehmen die das denn her, können Sie mir das sagen? Wo stöbern die so viel Armseligkeit auf? Glauben Sie mir, es gibt nicht mehr als ein halbes Dutzend großer zeitgenössischer Autoren in diesem Land, so einfach ist das. Fragen Sie mich nicht, was die anderen für ein Spiel spielen, denn Hand aufs Herz, Myriam, ich habe keine Ahnung.«
    Es war heiß. Bei Sonnenuntergang hing noch ein warmer Dunst über dem See. Sie lächelte, aber er sah, dass sie enttäuscht war.
    Hatte er jemals eine Frau kennengelernt, die nicht diesen Wunsch geäußert hätte? Zwar hatte sich Myriam in jeder Stunde, in jeder Minute ihres Zusammenseins anders verhalten als die Studentinnen, aber jetzt glich sie sich ihnen an. Jetzt wurde es auf einmal zwingend notwendig, dass sie ihn zu Hause besuchte. Jetzt wurde die Neugier zu groß. Keine Einzige hatte dieser Versuchung widerstanden. Es war fast schon zum Lachen. Er brauchte nur anzudeuten, dass die Sache völlig uninteressant war und durch die akribische Beaufsichtigung seiner nächtlichen Aktivitäten durch seine Schwester noch trostloser wurde, damit sie umso mehr darauf beharrten und ihn zum Nachgeben drängten.
    Wenn er ihren Wunsch erfüllt hatte, beendete er in der Regel tags darauf die Beziehung – außer, die junge Frau verdiente besondere Beachtung und erhielt eine Gnadenfrist von vielleicht einem oder sogar anderthalb Monaten, wie etwa jene athletische Australierin, die ihm dabei geholfen hatte, die diversen Kurzbefehle seines Textverarbeitungsprogramms zu erlernen, ein E-Mail-Postfach einzurichten, Bilder zu importieren, eine ungetragene, lederne Hatteras-Schirmmütze von Stetson zu ersteigern, und noch heute bekam er von seiner jungen, blonden Ex, die in Paris gestrandet war und sich dort mangels besserer Ideen Kinder machen ließ, manchmal Briefe, in denen sie schrieb, sie bereue, dass sie alles verdorben habe, dass sie sich mit aller Gewalt habe Zutritt verschaffen wollen und sich so hineingesteigert habe. Gewiss. Aber vielleicht hatte sie trotz allem gar keinen schlechten Tausch gemacht. Vielleicht, sagte er sich manchmal, war Kinderkriegen die Lösung.
    Myriam schien ebenfalls aufdringlich werden zu wollen. Der Gedanke, dass sie vielleicht gar nicht anders war als die anderen, hatte ihn kurz gestreift, als er sich ans Steuer gesetzt hatte, aber schon bald wurde ihm klar, dass er sich täuschte. Sie hatten gerade erst die Stadt verlassen, waren gerade erst ins Dunkel des Unterholzes vorgestoßen, als er wieder froh war, dass sie hier an seiner Seite saß – froh, nicht dieses unbehagliche Gefühl zu empfinden, das ihn jedes Mal hinterrücks überfiel, wenn er eine Frau nach Hause brachte, dieses vage und unbestimmte Schuldgefühl, das ihn jedes Mal beschlich, wenn er auf Zehenspitzen, mit den Schuhen in der Hand und dem Zeigefinger auf dem Mund die Diele durchquerte, derart verkrampft bei dem Gedanken, Marianne zu begegnen, dass ihn alle Muskeln schmerzten.
    Wenn er jemanden mitnahm, lieferte der Fiat nicht die übliche Fahrleistung und schien

Weitere Kostenlose Bücher