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Die Rastlosen (German Edition)

Die Rastlosen (German Edition)

Titel: Die Rastlosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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die rosig-violett waren und geformt wie chinesische Hüte.
    Sie hatte es verdient, dass er nett zu ihr war. Dass er versuchte, ihr wieder die Aufmerksamkeit entgegenzubringen, an der er es ihr gegenüber hatte fehlen lassen. Aber gleichzeitig konnte er nicht anders, als an ihre Beziehung mit Richard zu denken – über die er zwar nichts Genaues wusste, die ihm jedoch ganz und gar nicht passte –, er musste sich beherrschen, um ihm nicht an die Gurgel zu springen. Die Vorstellung, dass Richard Olso Marianne nahm, dass Richard Mariannes Brüste knetete, dass Richard wie ein geiler Bock über ihr sabberte, dass Richard stammelte und keuchte, dass Richard ihr ins Gesicht spritzte, usw., nahm ihm den Atem.
    Dann tauchten sie ab.
    Als er am Morgen seinen Kaffee trank, ging er ins Wohnzimmer und stieß erneut auf die Hi-Fi-Anlage, mit der Richard am Tag zuvor herumgelärmt hatte. Seit wann gab sich dieser Dummkopf mit solchen Sachen ab? Er ließ sich auf das Sofa fallen, wo er sie vorgefunden hatte, als sie fast aufeinanderlagen. Dann sah er auf. Es handelte sich um einen 50-Zoll-Flachbildschirm mit dem dazugehörigen Boxenset in Form hoher Säulen. Er betätigte die Fernbedienung und erwischte eine Schlammmasse, die im hintersten Winkel Asiens ein Dorf mitriss, Kühe, Hähne, Hunde und Menschen saßen alle im gleichen Boot. Das Bild war gut, gestochen scharf, brillant. Der Himmel war dunkelgrau, silbrig, mit feinsten Farbabstufungen, innerhalb weniger Tage hatte es so viel geregnet wie sonst das ganze Jahr nicht, und die beunruhigende, wogende Wolkenschicht zeugte von der Heftigkeit der Winde am anderen Ende der Welt, während sie ineinander verkeilt grunzten, elektrisiert, und versuchten, sich mit dem dunkelsten Schleier zu bedecken, sich im dichtesten Nebel zu verbergen, um alle Geräusche zu ersticken, um alles Gerede im Keim zu ersticken.
    Er war zwar kein Experte weiblicher Sexualität, aber die Verbissenheit, die Härte – ja fast schon die Wut –, mit der Marianne ihren Verkehr bestimmte, beunruhigte ihn ein wenig. Meistens endete es damit, dass sie auf ihm saß und auf seinem Unterleib leise schluchzend eine Art Rodeo absolvierte. Das war nicht ganz normal, das war ihm bewusst. Aber es war nicht an ihm, ein Urteil darüber zu fällen, was auf diesem Gebiet normal war und was nicht. Er trat hinaus in den Garten, um frische Luft zu schnappen. Die Sonne ging auf, und es roch nach grünen Blättern. Ein leuchtender Nebel hing über dem See. Durch seinen Pyjama, von dem er nur das Unterteil trug, befühlte er vorsichtig sein Steißbein. Was das anbelangte, schien sich die Lage zu verbessern. Er hatte nur ein paar Stunden geschlafen, die aber tief, denn sie war schon kurz danach in ihr Schlafzimmer geschlichen, nachdem sie einen Abstecher ins Badezimmer gemacht hatte – es war zu befürchten, dass sie sich eines Tages alle Knochen brechen würde, wenn sie auf dem Weg in ihren Wohnbereich die Treppen hinunterstürzte.
    Er zündete sich eine Zigarette an, während in der Ferne ein Hund bellte und in einem benachbarten Baum ein Kuckuck rief. Der Tod des Polizisten – seine Kollegen zweifelten inzwischen nicht mehr daran, dass er tot war, nachdem Untersuchungen eindeutig ergeben hatten, dass das Blut auf dem Seitenstreifen einer Auffahrt von ihm stammte – blieb ungelöst, und die Anwesenheit eines Polizistenmörders in der Stadt – wie, im Übrigen, die jedes anderen bewaffneten Verrückten, der frei herumlief, sei es im Gymnasium oder im Supermarkt an der Ecke – erfreute niemanden und wirkte sich nicht gerade positiv auf das Image der Polizei aus, deren Männer sofort als Nichtsnutze und Tolpatsche abgestempelt wurden. Er musste doppelt so vorsichtig sein, wachsam bleiben. Die Polizei führte Unmengen Vernehmungen durch, und es bestand weiterhin die Gefahr, dass sie die Spuren bis zu einem Auto zurückverfolgten und von dort bis zu einem gewissen Dozenten, der mit seiner Schwester draußen in den Hügeln wohnte.
    Er hatte nochmals die Felsspalte inspiziert, vor einigen Tagen schon oder, besser gesagt, in der Nacht, um möglichst nicht gesehen zu werden, ausgerüstet mit einer starken Taschenlampe, guten Schuhen und einem Seil. Er hatte Annie Eggbaum noch nicht aus dem Pool geholfen, also noch nicht dem kaputten Steißbein den Hexenschuss hinzugefügt, so dass er sich problemlos abseilen konnte, ja sogar ohne die Eule zu stören, die über ihm schrie, während er sich mal an den Wurzeln, mal an den Büschen

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