Die Ratte des Warlords (German Edition)
ereignisreich gewesen, und mindestens genauso reich an Erkenntnissen.
Kepler war ein seltsamer Mensch. Einerseits war er hart, andere rseits war seine Härte für einiges durchlässig. Zum Beispiel für sie. Katrin wusste genau, dass er mehr von ihr wollte, als sich nur mit ihr zu unterhalten. Sein Verhalten hatte ihr immer wieder gezeigt, dass sie ihm als Frau gefiel. Er verbarg es nicht, genauso wie er alles andere geradeheraus aussprach, seine Worte von ihrer Schönheit vor zwei Tagen waren eine Bestätigung dafür. Aber er überschritt seine eigens auferlegte Distanz nicht, als ob ihn irgendetwas zurückhielt, als ob er einfach vorbehaltlos sie und ihre Würde respektierte. Auch wenn er es sichtlich genossen hatte, sie zu berühren, als er sie hatte schießen lassen, besonders als er aus Versehen ihren Busen gestreift hatte, er schien dabei auch irgendwie ehrfürchtig zu sein. Sonderbar für einen Killer.
Katrin fragte sich – und das Schicksal – wieso sie ihm unter diesen Umständen begegnet war. Wieso er nicht ein Held sein konnte, jemand, in dessen Arme zu sinken eine Tugend gewesen wäre? Wieso musste er ein Söldner sein? Hoffentlich würde sie bald hier weg sein, wünschte sie sich. Weg von ihm.
Ein Schrei riss Katrin aus ihren Gedanken. Sie blickte aus dem Fenster und sah einen kleinen Jungen. Er war höchstens vier Jahre alt, fast nackt, nur ein alter Lappen bedeckte seine Lenden. Er lief, beide Arme schützend über dem Kopf verschränkt, schreiend vor einem Mann davon. Der Mann verfolgte ihn ebe nfalls schreiend. Er hatte eine lange Rute in der Hand, die er auf den Rücken des Kindes niedersausen ließ. Der Schlag hinterließ einen Striemen, und es war nicht der erste. Der Junge ging zu Boden und rollte sich in Erwartung des nächsten Schlages zusammen. Der Mann blieb über ihm stehen, brüllte ihn an, dann schlug er mit der Rute auf die Beine des Kindes. Der Junge heulte auf und Katrins Herz explodierte vor ohnmächtiger Wut. Sie biss sich auf die Lippe und klammerte sich an der Fensterbank fest. Sie fühlte sich machtlos, so wie noch nie in ihrem Leben zuvor.
Dann sah sie Kepler, der in leichtem Trab angelaufen kam. Er sah gleic hgültig auf die Szene vor ihm und lief monoton weiter. Der Mann hörte auf, den Jungen anzubrüllen und sah auf zu Kepler, aber er würdigte ihn keines Blickes. Der Mann beugte sich wieder über den Jungen, schrie, und schlug ihn nochmal.
Kepler war einen Schritt hinter dem Mann, als er in einer abrupten Bewegung zuschlug. Der Schlag in die Nieren des Mannes war das Brutalste, was Katrin je gesehen hatte. Der Mann schnappte nach Luft wie ein Fisch, der gerade aus dem Wasser gezogen wurde, und fiel auf alle viere. Kepler holte mit dem Bein aus und trat ihn so ins Gesicht, dass Katrin Blut spritzen sah. Der Mann fiel auf den Bauch, mit dem Gesicht in den Staub der Straße. Keplers wutverzerrte Grimasse glättete sich. Er kniete neben dem Jungen, hob ihn auf und stellte ihn auf die Füße. In einer schützenden Geste legte er seinen Arm um den Jungen, zog ihn an sich heran und redete auf ihn ein. Der Junge wischte sich mit den Fäusten die Tränen aus dem verstaubten Gesicht und nickte. Kepler hielt ihn eine Zeitlang fest, den Blick auf den am Boden liegenden Mann gerichtet. Als der sich bewegte, ließ Kepler das Kind los und stand auf. Er machte einen Schritt auf den Mann zu, der sich zu ihm drehte. Keplers Gesicht drückte nur noch kalte Wut aus. Langsam und deutlich, sodass der Mann es sehen konnte, zog er seine Pistole. Katrin sah sogar auf diese Entfernung, wie unbeschreibliche Angst in die Augen des Mannes trat. Kepler richtete die Mündung der Pistole auf sein blutendes Gesicht, sagte etwas und schoss. Das Projektil schlug wenige Zentimeter neben dem Kopf des Mannes in die Erde ein und ließ eine kleine Staubfontäne hochspritzen. Die Panik in den Augen des Mannes wurde unermesslich groß. Kepler sagte etwas, worauf der Mann wild nickte. Kepler sah ihn noch einige Augenblicke lang kalt an, steckte die Pistole ein und ging zu dem Jungen. Er ging vor ihm auf ein Knie und sagte dem Kind etwas, woraufhin es zaghaft lächelte. Kepler fuhr mit der Hand über die Haare des Jungen, stand auf, blickte nochmal den Mann an und ging zur Hütte.
Katrin drehte sich zur Tür, als Kepler hereinkam, und sah ihn schwer an. Er blickte kurz zurück, sah zum Fenster hinaus und verharrte. Katrin konnte ihn nur von hinten sehen und wünschte sich, sie würde jetzt in seine Augen
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