Die Ratte des Warlords (German Edition)
unterscheiden. Nicht , dass es vorher einfach gewesen war, aber jetzt war es, als ob sie gar nichts mehr wusste. Wie konnte sie die Werte ihres bisherigen Lebens in Einklang mit dieser Welt bringen, deren Werte sie nicht einmal richtig kannte? Sie sah zu Kepler. Zum Beispiel er, dachte Katrin. Ihm gilt das Leben eines Menschen sehr viel, andererseits tötet er. Worin lag hier denn der Sinn? Und gab es ihn überhaupt, diesen Sinn oder die absolute Wahrheit? Kannte Kepler sie, zumindest insoweit sie für ihn notwendig war? Woher hatte er die Weisheit zu entscheiden, wer böse oder nicht böse war? Reichte seine Definition dafür aus? Mal ganz davon abgesehen, dass er zu töten kein Recht hatte?
"So einfach ist das für dich?", fragte Katrin erschrocken.
Kepler lächelte, aber es wirkte bitter.
"Du hattest damals kein Wort von dem verstanden, was Sobi und ich gespr ochen hatten", sagte er schließlich. "Aber du hattest verstanden, dass es um dich ging. Du hattest Angst um dein Leben. Als ich ihn erschossen habe, hast du mich angesehen." Kepler blickte ihr in die Augen. "Ich habe die Dankbarkeit in deinen Augen gesehen, ganz kurz."
Katrin erschrak. Ja, sie war ihm für ihre Rettung wirklich dankbar, aber erst jetzt wurde ihr deutlich bewusst, dass dafür ein Mensch g estorben war. Auf einmal wallte es in ihrem Inneren. Entsetzen erfasste sie.
"Du warst nicht froh, dass er tot war", erriet Kepler ihren Geda nken. "Du warst nur froh, dass er dir nichts mehr tun konnte. Über seinen Tod warst du genauso entsetzt, wie darüber, was er dir antun wollte." Sein Blick wurde weich. "Sobi war es nicht, aber du bist ein guter Mensch, Katrin. So einfach ist das."
Kepler sagte nichts mehr, sondern lenkte nur entspannt den Wagen, obwohl er dabei gleich zeitig hochkonzentriert wirkte.
Den ganzen restlichen Weg lang dachte Katrin nach. Sie wusste nichts mehr, sie war durcheinander und suchte nach einem Ausweg aus dem Wirrwarr ihrer Gedanken. Sie schüttelte den Kopf, um sie zu verjagen, und plötzlich hatte sie wieder die Situation vor Augen, die sie wie ein Alptraum verfolgte.
Und dann verstand sie endlich. Kepler hatte gesagt, er hatte in ihren Augen die Rechtfertigung für seine Tat gesehen. Sie, eine Unschuldige, zu retten, war ihm wert gewesen, das Leben eines Menschen zu beenden.
Aber es waren nicht seine letzten besänftigenden Worte zu ihr. Es war Katrins Erinnerung. Sie hatte seine Augen damals auch gesehen. Und sie erinnerte sich an seinen Blick, als er sich ihretwegen in einen tödlichen Kampf gestürzt hatte.
Er war genauso bereit gewesen, für sie zu sterben.
Als sie zurück nach Weriang kamen, wollte Katrin Kepler fragen, ob sie z usammen ein Bier trinken wollten, sie wollte noch etwas wissen. Aber neben Keplers Hütte saß ein junger Milize, der sofort aufsprang, als der Jeep auf den Hof einbog. Der Mann ging lächelnd zu Kepler. Seine Hände berührten ständig die schwarze Maschinenpistole, die er wie ein Baby vor der Brust hielt. Die Taschen an seiner Kleidung quollen vor vollen Ersatzmagazinen über.
Kepler stellte den Motor ab, deutete Katrin in die Hütte zu gehen und stieg aus.
"Ich wollte dir Danke sagen, Chef", sagte Kobi.
"Das hat aber gedauert", erwiderte Kepler mürrisch.
Er ahnte, was der junge Milize von ihm wollte, sein freier Tag war wohl dahin.
"Nix da", antwortete Kobi. "Ich warte schon seit Stunden."
"Und wie lange hättest du es weiter getan?", fragte Kepler spöttisch.
Kobi zuckte die Schultern.
"Vielleicht die ganze Nacht. Oder ich wäre morgen wiedergekommen."
"Bravo ."
"Also – Danke sehr." Kobi verbeugte sich. "Können wir jetzt ballern gehen?"
Kepler wollte verneinen, er fühlte sich müde. Aber das kam von tiefgründigen Gesprächen und von Erinnerungen. Von den ersten hatte er genug und die zweiten musste er am besten gleich wieder loswerden. Er lächelte.
" Okay", meinte er, "lass uns aufs Feld gehen und die Luft erschießen."
Innerhalb eines Her zschlages fletschte Kobi die Zähne und lud die MP durch.
"Grins bitte nicht so dösig", bat Kepler wehleidig. "Ich hole meine Sachen."
Er holte den Rucksack aus dem Jeep. Kobi streckte die Hand danach aus.
"Wenn du unbedingt willst ."
Kepler gab ihm die Tasche. Sie liefen auf das brachliegende Feld. Abgesehen von einigen nackten Büschen gab es dort nichts. Kepler deutete Kobi, den Rucksack abzusetzen und wies auf die nackten Pflanzen.
"Dann tob dich mal aus", erlaubte er gnädig.
Kobi riss die MP von der Schulter,
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