Die Ratte des Warlords (German Edition)
er seine Leutnants nach und nach immer selbstständiger agieren und übertrug ihnen immer größere Verantwortung. Er bereitete seine Leute darauf vor, ohne ihn auszukommen. Vielleicht hatte er alles getan, was er konnte, und es war für ihn Zeit, für das Retten von Kriminellen zu büßen.
Aber o bwohl Abudi große militärische Macht hatte, standen die Gegner geradezu Schlange, um sich gegen ihn zu versuchen.
Es war Afrikas Koloniale rbe, die willkürlich in London und Paris auf der Karte gezogenen Grenzen. Sie bildeten Staaten aus Regionen mit vielen Ethnien mit unterschiedlichen Geschichten und Traditionen. Es gab immer etwas, worüber sich die vielen zu verschiedenen Völker stritten, Wasser, Land, Vorherrschaft.
Waffen schienen dabei die effektivste Lösung zu sein. Sie waren die schlec hteste. Der Krieg würde nie aufhören.
Abudi hatte in diesem Wahnsinn eine kleine Oase der Ruhe geschaffen. Die basierte zwar auf Waffengewalt, aber die Menschen hatten Frieden, genug zu essen und etwas Freiheit.
Kepler war bereit , ohne Nachdenken gegen jeden in den Kampf zu ziehen, der das zerstören wollte. Er blieb.
Abudis Veränderungen am Militärapparat ha tten ihm umfangreiche Gewinne eingebracht. Die Auflösung der Miliz sparte ihm Geld und er bekam gleichzeitig mehr Steuerpflichtige. Die Armee wurde von Khartum finanziert, und indem er sie kleiner machte, hatte Abudi Khartums Wohlwollen und er hatte sich unliebsamer Offiziere samt ihrer Einheiten entledigt. Gleichzeitig stand er vor seinen Untertanen als Wohltäter und vor der Welt auch noch als friedliebender Machthaber dar. Und das war er auch. Er war reich, mächtig und gerecht.
An seiner Politik schien sich nichts geändert zu haben, aber etwas an Abudi selbst bereitete Kepler seit einiger Zeit Sorgen. Undefiniert, unbestimmt und kaum deutlich, aber nichtsdestotrotz wahrnehmbar, beschlich Kepler ein nagendes Gefühl. Er wusste nicht so recht was es war, und eine Zeitlang verdrängte er es. Die Menschen in Abudis Gebiet lebten in Frieden, die Ausbeutung hielt sich in Grenzen, aber etwas stimmte mittlerweile trotzdem nicht mehr ganz.
Ein Licht i n Bezug darauf ging Kepler auf, als er wegen der vor Wochen bestellten Funkgeräte für seine Einheit, die er immer noch nicht bekommen hatte, bei Abudi nachhaken wollte. Es war Mittagszeit und Adil war nicht auf seinem Platz, deswegen platzte Kepler einfach ins Büro des Generals.
Neben Abudi saß auf dem Sofa ein Mufti. Laut Koran gab es keine Mittler zwischen Gott und den Gläubigen, damit existierten im Islam eigentlich keine Priester. Praktisch schon. Islamische Rechtsgelehrte waren zu solchen avanciert.
Kepler begrüßte höflich den sunnitischen Geistlichen und fragte Abudi, ob er später wiederkommen solle. Der Mufti bat ihn jedoch sofort, Platz zu nehmen, anscheinend wollte er ihn kennenlernen und er schien ihn zu respektieren.
Sie sprachen über die allgemeine Situation im Land. Abudi wohnte schwe igend dem Gespräch bei.
"Sind Sie Christ?", fragte der Mufti plötzlich.
"Nein", antwortete Kepler überrascht.
"Glauben Sie nicht an Gott?"
"Ich sagte nur, ich sei kein Christ. Nicht, dass ich blind oder dumm sei."
"Was halten Sie von christlichen Missionaren?", fragte der Mufti weiter.
Er hatte eine artikulierte Aussprache und eine ruhige melodische Stimme, warm, freundlich und einlullend. Kepler wusste plötzlich mit Sicherheit, dass bei diesem Gespräch nicht Gutes herausko mmen wird.
"Sie tun , was sie für richtig halten", antwortete er abwartend.
"Sie bringen Menschen vom Glauben ab", behauptete der Geistliche.
"Ich dachte, der Zweck der Mission wäre der Glaube."
"Es ist aber der falsche Glaube", beharrte der Mufti. "Und man sollte ihnen dessen Verbreitung verbieten."
"Genausogut könnt ihr ihnen das Atmen verbieten", erwiderte Kepler. "Auße rdem gilt hier Religionsfreiheit. Was soll das alles?", fragte er geradeheraus.
"Ich habe das Gefühl, dass die Bevölkerung die Christen nicht mehr dulden will", sagte der Mufti vorsichtig. Es hatte halb fragend geklungen und der Geistliche sah Kepler abwartend an. "Sie nicht?"
" Nur Ihresgleichen wollen sie weghaben", widersprach Kepler. "Den einfachen Moslems mögen sie nicht gefallen, aber sie wollen sie auch nicht vertreiben."
"Aber bei den Missionaren weiß ich es mit Sicherheit", widersprach der Mufti noch beharrlicher als vorher. "Weil Christen Schlangen sind", behauptete er steif. "Sie erzählen von Gott, aber sie tun es verkehrt",
Weitere Kostenlose Bücher