Die Ratte des Warlords (German Edition)
hatte, wenigstens für eine Weile vergessen lassen würde. Vielleicht brauchte sie gerade die Zuneigung von einem Mann, der sie einfach mochte.
Jetzt hatte n Keplers Worte in etwa danach geklungen, und zwar ehrlich und weder anzüglich noch mit Hintergedanken. Trotzdem zog Katrin sich innerlich im ersten Moment zurück, wie in eine Kapsel.
"Wollen wir gehen?", fragte sie.
Kepler nickte und sie gingen auf die Straße.
Katrin ging mit einem Abstand zu ihm, ihre Arme hatte sie um sich geschlu ngen und sie sah zu Boden. Ob es an dem wenigen Licht lag, oder weil sie sich plötzlich unwohl mit ihm fühlte, wusste Kepler nicht. Er schritt neben Katrin her ohne ein Wort zu sagen. Und verlor sich in ihrem kaum wahrnehmbaren Duft.
"Wie weit läufst du morgens?", fragte Katrin unvermittelt.
Mit einem Ruck kam Kepler wieder zu sich.
" Äh... Fünf Meilen."
"Jeden Tag?"
"Wenn ich nicht im Einsatz bin, ja."
"Du warst wieder im Einsatz", sagte sie abwar tend.
Kepler nickte.
"Wen hast du dieses Mal getötet?"
"Einen Drogenhändler", antwortete Kepler ruhig.
Katrin sagte nichts darauf. Kepler würde sich nie in irgendeiner Weise vor ihr rechtfertigen, aber ihre Meinung wollte er wissen. Vielleicht brauchte er neben seiner eigenen inneren Gewissheit einen Zuspruch.
"Was meinst du dazu?", fragte er.
"Muslime sind in manchen Sachen eigen", begann Katrin nachdenklich, "aber, wie bei einigen Christen auch, erscheint mir ihr Alkoholverbot immer wieder äußerst sinnvoll. Und Drogen sind überall verboten."
"Das heißt?", bohrte Kepler nach.
"Alkohol kann Verheerendes anrichten. Drogen tun es immer." Katrin schwieg eine Weile und sah ihn aufmerksam an, bevor sie weitersprach. "Vom Gefühl her finde ich, solche Leute braucht die Welt nicht", sagte sie schließlich. "Tötest du nur solche Menschen?", fragte sie plötzlich angespannt. "Nur schlechte?"
"Gut und schlecht sind Ansichtssachen", antwortete Kepler. "Für den einen ist das eine schlecht, für den anderen genau das Gegenteil." Er zuckte die Schultern. "Ich bin schlecht. Aber ich habe nie jemand Unschuldigem was getan."
"Ist Unschuld dann nicht auch eine Ansichtssache?", hinterfragte Katrin s ofort.
"Gewiss", stimmte Kepler zu. "Aber es gibt auch allgemeine Krit erien. Kinder, Frauen. Menschen, die nicht mit einer AK auf einen zielen, sondern nur ihr Leben leben wollen", sagte er nachdenklich. "Das ist in etwa meine Definition."
"Weißt du, was ein Paradoxon ist?", fragte Katrin nach einer Pause.
"Wenn ich mir im Handumdrehen den Fuß breche."
Katrin lächelte über das Wortspiel und das zog Keplers Lippen unwillkürlich auseinander. Plötzlich wusste er genau, dass er sie vermisst hatte.
"Das ist eine Polysemie", belehrte Katrin ihn mit einem belustigten Seitenblick etwas hochtrabend. "Ein Paradoxon ist ein scheinbar oder tatsächlich..."
" ... in sich unlösbarer Widerspruch", beendete Kepler den Satz. "Und?"
"Du bist paradox", behauptete Katrin.
Kepler sah sie überrascht an.
"Inwiefern?"
"Du bist ein altruistischer philanthropischer Misanthrop."
Kepler fragte sich, was das Bombardement mit Fremdwörtern sollte und ob indem sie ihn als einen selbstlosen menschenliebenden Menschenhasser bezeichnete, Katrin ihn zu mögen versuchte, trotzdem, dass er tötete.
Er fragte nicht nach und machte sich keine weiteren Gedanken darüber. Aber er hoffte, dass dem so war. Sie sprachen nicht mehr.
Als sie zurück waren, ließ Kepler Katrin erst allein hineingehen, damit sie sich für die Nacht fertig machen konnte. Zehn Minuten später ging er in die Hütte. Er putze die Zähne, dann ging er zu seinem Bett. Er wollte es an den alten Platz zurückschieben, aber er war zu müde dazu. Er legte sich einfach hin.
"Dirk?", rief Katrin leise, als er die Augen schloss.
"J a?"
"Nimmst du mich morgen zum Bierholen mit?", bat sie.
"Klar."
"Danke."
"Gern", antwortete Kepler im Eindämmern.
Eine Sekunde lang fragte er sich, ob es sich wirklich so verhielt, dann ergab er sich der Müdigkeit und schlief ein.
37. Katrin stand am nächsten Morgen kurz nach Sonnenaufgang auf. Kepler war schon weg. Nachdem Katrin ihre Morgentoilette beendet hatte, klopfte es an der Tür. Katrin öffnete. Draußen stand der Mann, der ihr während Keplers Abwesenheit das Essen gebracht hatte. Er gab Katrin zwei in Tuch eingewickelte Schälchen und eine verbeulte Blechkanne. Katrin roch den Duft des Kaffees und sah den Mann mit hochgezogenen Augenbrauen an, denn als Kepler weg gewesen war, der
Weitere Kostenlose Bücher