Die Rebellen von Irland
größte Chor von ganz Dublin. Als der hohe und der niedere Adel zu den reservierten Plätzen strebte, konnte man Vertreter aller berühmten Familien sehen, Fitzgeralds und Butlers, Boyles und Ponsonbys, dazu Bischöfe, Dekane, Richter, Gutsbesitzer und sogar die bekanntesten Kaufleute der Stadt. Siebenhundert Gäste hatten eine Eintrittskarte erhalten, mehr noch, als den Saal bei der triumphalen Probe fünf Tage zuvor gefüllt hatten.
Endlich hielt der Lord Lieutenant mit seinem Gefolge Einzug, als Letzter, wie es sich für den Repräsentanten des Königs geziemte. Beim Anblick des würdevollen Herzogs brach der ganze Saal in Beifall aus, und nicht allein aus Achtung vor seinem Amt und seiner Person, sondern auch weil er, der großzügige Kunstfreund, es in erster Linie gewesen war, der den berühmten Komponisten nach Irland gelockt hatte, sodass nun die feine Dubliner und nicht Londoner Gesellschaft die Uraufführung eines Werkes hören sollte, das bereits als das bedeutendste dieses Tonkünstlers gepriesen wurde: Der Messias, das neue Oratorium von Georg Friedrich Händel.
Für diesen einen Abend konnte man vergessen, dass in Irland eine Hungersnot wütete. Und doch machte Fortunatus ein sorgenvolles Gesicht, während er auf das Einsetzen der Musik wartete. Er hatte viel Geld für die Plätze bezahlt. Seine Frau und sein Sohn George saßen neben ihm. Ebenso der Gentleman namens Grey, den er nur flüchtig kannte. Aber die nächsten fünf Plätze in der Reihe waren bislang leer geblieben. Immer noch gingen Menschen umher, suchten nach Lücken und nahmen ihre Plätze ein. Fortunatus wagte nicht, sich umzusehen.
Die Falle war gestellt. Aber wo zum Teufel blieb das Opfer?
***
Alles hatte an einem Abend vor drei Monaten begonnen. Fortunatus hatte mit Terence bei einer Flasche Rotwein im Salon gesessen, als sein Bruder ihn ansah und sagte:
»Ich habe neulich etwas gehört, das dich interessieren dürfte. Kennst du Doktor Grogan?«
»Flüchtig«, antwortete Fortunatus.
»Nun, er hat zwar nicht so viele Patienten wie ich, aber er ist durchaus erfolgreich und kein übler Kerl. Er hat mir erzählt, dass er eine Familie namens Law behandelt.«
»Henry Law?«
»Ganz recht. Kennst du ihn?«, fragte Terence.
»Ein Leinenhändler aus Belfast. Mehr weiß ich nicht über ihn.«
»Das überrascht mich nicht. Er führt ein ruhiges Leben und kümmert sich um seine Geschäfte. Aber das ist nicht alles. Grogan hat zufällig ein paar Dinge aufgeschnappt, als er in dem Haus war, und daraufhin Erkundigungen eingezogen. Er ist ein sehr neugieriger Mensch, dieser Grogan.« Er machte eine Pause, um die Spannung zu erhöhen. »Henry Law ist einer der reichsten Männer in Dublin.«
»Ein alter Fuchs ist er. Und weiter?«
»Er hat nur Töchter. Keinen Sohn.«
»Verstehe. Reiche Erbinnen.«
»Es kommt noch besser«, sagte Terence. »Es sind drei: Anna, Lydia und Georgiana. Lydia ist krank, und Grogan hat mir versichert, dass sie nur noch ein oder zwei Jahre zu leben hat. Folglich wird das ganze Vermögen zu gleichen Teilen unter ihren Schwestern aufgeteilt.«
»Denkst du an George?«, fragte Fortunatus.
»So ist es.«
»Er ist erst zwanzig.«
»Georgiana ist sechzehn. Wenn sie achtzehn ist …«
»Und du meinst, wir sollten möglichen Rivalen zuvorkommen.« Fortunatus dachte darüber nach. Sein Sohn George war ein gut aussehender und intelligenter Junge. Und eine Frohnatur. Die Leute mochten ihn. Aber Fortunatus war Menschenkenner genug, um zu wissen, wo die Interessen seines Sohnes lagen. Sein anderer Sohn, William, wäre vollauf zufrieden, wenn er das Gut der Familie in Fingal verwalten könnte. Als er ihn einmal in das großartige neue Parlamentsgebäude mitgenommen hatte, das jetzt auf College Green herabblickte, hatte William zwar höfliches Interesse gezeigt, aber er hatte ihm angemerkt, dass er sich langweilte. Ganz anders George. Seine Augen nahmen alles auf. Er lauschte den Reden nicht einfach nur, sondern ließ darüber hinaus erkennen, dass er den Stil jedes Redners sorgfältig studierte. »Hier wäre ich gern«, sagte er seinem Vater. Und er stellte Fragen über Fragen, wollte Näheres über die führenden Politiker und ihre Familien wissen, erkundigte sich, wer über wen Macht hatte. »Ich kann dir zu einem Start verhelfen«, hatte Fortunatus damals, nach ihrem ersten Besuch, ganz offen zu ihm gesagt, »aber wenn du es in der Welt zu etwas bringen willst, musst du dir eine reiche Frau suchen.«
»Welcher
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